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Schulen stehen erneut vor digitalem Supergau

Bildung Viel Geld ist an die Schulen geflossen, um die Digitalisierung voranzubringen. Jetzt mangelt es an Zeit und Manpower, um die Geräte zu warten. Von Kerstin Dannath

Computer, Laptops, Smartphones – derlei Gerätschaften gehören zum Alltag. Seit der Corona-Pandemie haben auch die Schulen einen Schritt aus der digitalen Steinzeit gemacht – dank kräftiger Finanzspritzen aus Förderpaketen des Landes und des Bundes. Allein an Bundesmitteln flossen insgesamt 585 Millionen Euro nach Baden-Württemberg. Auf Anfrage teilte das Kultusministerium des Landes mit, dass aus dem Basis-Digitalpakt Schule bisher für allgemeinbildende und berufliche Gymnasien insgesamt 81 Millionen Euro bewilligt und 12,5 Millionen Euro ausgezahlt wurden. Allerdings werden die Schulen bei der Wartung von Hard- und Software allein gelassen.

Beispiel Wendlingen: Das allgemeinbildende Robert-Bosch-Gymnasium (RBG) mit rund 740 Schülern hat rund 434 000 Euro bewilligt bekommen. Angeschafft wurden etwa 80 Leihlaptops für Schüler, Dienstrechner für alle 78 Lehrkräfte sowie ein modulares, erweiterbares System, das jedes Klassenzimmer fit für die Zukunft machen soll. Damit können etwa alle Arten von Dokumenten oder Inhalte von externen Geräten an die Wand gebeamt werden. Die digitale Ertüchtigung der Klassenzimmer soll bis 2024 abgeschlossen sein.

 

In Zeiten des Lehrermangels sollten Lehrer primär für den Unterricht zur Verfügung stehen.
Jörg Leihenseder
Oberstudiendirektor

 

Das aktuelle Problem ist weitaus konkreter: Für die Wartung der Hard- und Software hat jedes allgemeinbildende Gymnasium gerade mal ein zweistündiges Deputat pro Woche vom Kultusministerium zugewiesen bekommen. Intern wurden am RBG zwei weitere Stunden freigeschaufelt – sodass nun vier Stunden pro Woche für die Betreuung des gesamten Netzwerks sowie für die Wartung der Hard- und Software zu Verfügung stehen. Das reicht nicht aus. „Ohne dass etwas Besonderes passiert, sind es im Schnitt etwa 20 Arbeitsstunden in der Woche“, sagt der stellvertretende Schulleiter Peter Kirchmeier.

Er teilt sich den IT-Support mit einem weiteren Kollegen, beide unterrichten auch – ein weiteres Problem: „Bei einem Serverabsturz müssen die beiden Kollegen alles stehen und liegen lassen – egal, ob sie vor einer Klasse stehen oder nicht“, erklärt RBG-Schulleiterin Karin Ecker. Informatik hat aber keiner der beiden Kollegen studiert, eine IT-Fachkraft hierfür fehlt am RBG genauso wie anderswo. „Informatiklehrer gibt es praktisch nicht an unseren Schulen“, erklärt Ecker. Wer so was studiert, gehe meist in die freie Wirtschaft. Gehen die digitalen Probleme tiefer, muss eine externe Fachkraft her. „Gezahlt wird das alles aus dem Schulbudget“, sagt Kirchmeier. Er schätzt, dass bereits jetzt rund ein Fünftel des fünfstelligen Schulbudgets, aus dem eigentlich Dinge wie Arbeitshefte, Bücher, Müllgebühren, Klopapier oder Möbel bezahlt werden, dafür draufgehen. „Das Problem ist ein großes Thema an allen Gymnasien“, betont Ecker, die mit ihren Kollegen an anderen Schulen gut vernetzt ist.

Stunden reichen nicht aus

Oberstudiendirektor Jörg Leihenseder, Schulleiter des Esslinger Schelztor-Gymnasiums sowie geschäftsführender Schulleiter der Esslinger Gymnasien, bestätigt das Dilemma: „Grundsätzlich reichen die Deputatsstunden nicht aus, was mit der immens gestiegenen Anzahl an zu wartenden Geräten zu tun hat.“ Berechnet werden die Deputatsstunden nämlich nach dem alten Schlüssel aus Zeiten, als es kaum Computer an Schulen gab.

RBG-Schulleiterin Karin Ecker hat an die Stadt als Schulträger einen Appell nach mehr Unterstützung beim IT-Support gerichtet. Wendlinger Bürgermeister Steffen Weigel ist das Problem bewusst. Der Rathauschef sieht hierbei aber das Land in der Verantwortung: „Man kann nicht die Digitalisierung ausrufen und dann nicht dauerhaft in die Finanzierung einsteigen. Über die Kostenfrage müssen wir uns als Schulträger grundlegend mit dem Land unterhalten.“ 

 

 

Raus aus der digitalen Steinzeit – und dann?

Durch das Förderprogramm des Bundes sollen professionelle Strukturen zur IT-Administration aufgebaut werden. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung heißt es: „Es ist unabhängig vom Digitalpakt Schule die Aufgabe der Kommunen beziehungsweise der privaten Schulträger, Betrieb, Support und Wartung der IT in den Schulen sicherzustellen.“

Deputate sind Stundenzuweisungen, die über die Grundunterrichtsversorgung hinaus gehen. Laut der RBG-Schulleiterin stehen beruflichen Gymnasien für die Administration digitaler Gerätschaften pro 25 Geräte eine Entlastungsstunde pro Woche zu. Würde das auch fürs RBG gelten, kommt man auf 14 Entlastungsstunden statt wie jetzt auf zwei.

Das Kultusministerium bestätigt, dass bei allgemeinbildenden Schulen eine Deckelung auf zwei Deputatsstunden verfügt ist, während bei beruflichen Schulen diese Deckelung so nicht vorgesehen ist. Man arbeite aber an einer Neuregelung, die den geänderten technischen und pädagogischen Herausforderungen Rechnung tragen soll. kd