Esslingen. So hohe Sicherheitsvorkehrungen sind am Amtsgericht selten. Mehrere Einsatzfahrzeuge parkten vor dem Esslinger Gericht, Dutzende bewaffnete Beamten beobachteten das Treiben rund um die Ritterstraße. Der Angeklagte wurde mit Fußfesseln und Handschellen, begleitet von einem Tross an Justiz-Sicherheitskräften, in den Saal geführt.
Dem Mann wirft der Staatsanwalt das unerlaubte Führen einer Waffe, Wohnungsdiebstahl und den unerlaubten Besitz von Munition vor. Das erklärt nicht die verschärften Bedingungen rund um den Prozess. Der junge Plochinger gehört vielmehr einer Gruppierung aus dem Esslinger Raum an, die mit einer Gruppe aus Stuttgart-Zuffenhausen mehrfach gewaltsam aneinandergeraten war. Das berichtete ein Polizeibeamte im Zeugenstand. Diesen Konflikt machen Ermittler des Landeskriminalamts für die Schussserie verantwortlich, die die Region in Atmen hält. Höhepunkt des Konflikts war am 9. Juni 2023 eine Handgranaten-Explosion während einer Beerdigung in Altbach.
Die Anklage geht davon aus, dass der 21-Jährige illegal eine halbautomatische Kurzwaffe besessen haben soll. Die Berreta wurde bei einer Autokontrolle der Polizei im Oktober 2022 unter dem Fahrersitz gefunden. Mit dem Angeklagten saßen noch vier weitere junge Männer in dem Golf. „Er habe die Waffe nur mal gehalten“, ließ der Angeklagte über seine Verteidiger ausrichten, es sei nicht seine Waffe, den Besitzer verraten werde er aber nicht.
Überraschender Sinneswandel
Der überraschende Sinneswandel eines Zeugen wirft ein Licht auf das Gebaren im Umfeld solcher Gruppierungen. Ein 23-Jähriger, in dessen Wohnung der Angeklagte eingebrochen und 150 Euro gestohlen haben soll, tischte hanebüchene Geschichten auf und widersprach seiner früheren Darstellung. Es habe sich um eine Namensverwechslung gehandelt. Während er sich „um Kopf und Kragen redete“, wie es der Richter nannte, lachten die Kumpels des Angeklagten im Zuschauerraum mehrfach.
Wurde der Zeuge unter Druck gesetzt? Der Staatsanwalt hielt das für gut möglich. „Anders kann ich mir das nicht erklären“, sagte er. Auch der Richter äußerte Zweifel. Der 23-Jährige bekommt nun einen Anwalt als Zeugenbeistand.
Dass der Angeklagte, wie von seinem Verteidiger beantragt, vorerst freikommt, um eine Ausbildung zu beginnen, wurde abgelehnt. Der Prozess geht am 18. Oktober weiter. Petra Pauli