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Schweizer übernehmen die Nürtinger Gründachfirma Zinco

Wirtschaft Mit einem neuen Eigentümer sehen die Geschäftsführer von Zinco gute Perspektiven für internationales Wachstum. Zugleich wollen sie mit dem Schritt rechtzeitig die Unternehmensnachfolge regeln. Von Henrik Sauer

Dieter Schenk (links) und Manfred Krüger, Geschäftsführer des Unternehmens Zinco, auf dem Dach der Firmenzentrale in Nürtingen.  Foto: Marion Brucker

Es ist gut 20 Jahre her, seit die vier Herren Ulrich Schäfer, Dieter Schenk, Roland Appl und Frank Stribel die Firma Zinco von deren Gründer Walter Zink im Rahmen eines Management-Buy-outs übernommen hatten. 2014 kam mit Manfred Krüger ein weiterer Anteilseigner hinzu. In dieser Zeit hat sich das Unternehmen zu einem weltweit erfolgreichen Anbieter von Dachbegrünungssystemen entwickelt. Nun haben sich die Inhaber für den Weiterverkauf des Unternehmens entschieden. Die Transaktion ist seit wenigen Tagen abgeschlossen. Der Nürtinger Gründachspezialist gehört fortan zur schweizerischen Holcim-Gruppe.

Zu dem Schritt habe man sich entschlossen, „weil wir alle nicht jünger werden“, bringt es Geschäftsführer Ulrich Schäfer auf den Punkt: „Wir wollten rechtzeitig eine Nachfolgeregelung machen.“ Dabei habe man gezielt nach einem strategischen Investor gesucht. Unter dem Dach des weltweit tätigen Konzerns habe Zinco beste Voraussetzungen, international weiter zu wachsen: „Die internationale Ausrichtung von Holcim wird uns neue Chancen und Märk­te eröffnen.“

Großer Zementhersteller

Die Holcim AG gehört zu den größten Baustoffproduzenten der Welt und hat ihren Hauptsitz in Zug in der Schweiz. Das Kerngeschäft sind Zement, Kies und Beton. Laut Geschäftsbericht machte die Gruppe 2022 einen Umsatz von 29,2 Milliarden Schweizer Franken (31,2 Milliarden Euro). Rund 60 000 Mitarbeiter sind bei dem Konzern beschäftigt.

Zinco werde innerhalb der Holcim-Gruppe als eigenverantwortlich handelndes Unternehmen erhalten bleiben, sagt Dieter Schenk: „Das war uns sehr wichtig.“ Der Sitz sei weiterhin in Nürtingen, mit allen 96 Mitarbeitern. Dieter Schenk (58), Ulrich Schäfer (60) und Manfred Krüger (64) bleiben die drei Geschäftsführer – „bis zur Rente“, wie Ulrich Schäfer mit einem Augenzwinkern sagt: „Nur die Gesellschafter haben sich geändert.“ Die Mitarbeiter hätten auf die Nachricht mit Holcim positiv reagiert, sagt Schäfer.

Eine Übernahme durch eine nachfolgende Generation an Geschäftsführern aus dem Unternehmen heraus, wie einst 2002 selbst praktiziert, sei keine Alternative gewesen, sagt Dieter Schenk auf Nachfrage: „Dafür sind wir mittlerweile deutlich zu groß geworden.“

Die Holcim-Gruppe treibt mit der Akquisition nach eigenen Angaben ihr Ziel voran, ihre Tätigkeit in Bausegmenten wie Dachsysteme, Dämmung und Renovierung auszubauen. Der Umsatzanteil dieses Geschäftsbereichs soll von zuletzt 19 Prozent auf 30 Prozent bis 2025 ansteigen. „Ich freue mich, Zinco in der Holcim-Familie willkommen zu heißen, um unser Angebot an nachhaltigen Dachsys­temen zu erweitern und mehr Natur in die Städte zu bringen“, wird die weltweite Leiterin dieses Geschäftsbereichs, Jamie Gentoso, in einer Pressemitteilung zitiert. Das passe gut zur Strategie des Unternehmens, den Übergang zu nachhaltigem Bauen anzuführen.

Erste Gespräche mit Holcim über eine grundsätzliche Zusammenarbeit habe man bereits vor zwei Jahren aufgenommen, berichtet Ulrich Schäfer. Auch arbeite man bei verschiedenen Projekten schon seit Längerem parallel auf denselben Baustellen. „Die Entscheidung ist für Holcim als neuen Eigentümer gefallen, weil wir in Holcim eine Kultur sehen, die mit unserer übereinstimmt, eine gemeinsame Vision für eine erfolgreiche Zukunft und ein starkes Engagement für Nachhaltigkeit“, so Schäfer.

Der Markt der Dachbegrünung entwickle sich rasant, sagt Dieter Schenk. Entsprechend sei auch Zinco in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Zahlen möchte der Geschäftsführer nicht nennen. Das Unternehmen bietet Dachbegrünungssysteme sowie integrierte Dachbegrünungs- und Solarlösungen an und gilt als eines der weltweit führenden Unternehmen und Pionier auf diesem Gebiet. Zinco ist in Europa, Asien sowie Nord- und Südamerika aktiv.

Begrünung fürs Holzparkhaus

Vor allem, wenn es um das Thema Klimafolgenanpassung gehe, „stehen wir mit unseren Systemaufbauten mittendrin“, sagt Schenk. Man arbeite hier direkt mit Architekten und Stadtplanern zusammen. Ein spektakuläres aktuelles Projekt ist zum Beispiel „The Line“ in Saudi-Arabien. Dort soll in der Wüste auf einer Fläche von 34 Quadratkilometern eine Stadt für neun Millionen Menschen entstehen, die ohne Autos, Straßen und Kohlendioxidemissionen auskommen soll. Zinco ist hier beratend beim Thema Begrünung beteiligt. In Donaueschingen ist das Nürtinger Unternehmen Partner eines Projekts mit dem örtlichen Sportverein SSC. Der möchte mit seinem neu gebauten Vereinsheim 100 Prozent des Regenwassers für die Bewässerung des Gründachs und für die WC-Spülung nutzen. Und auch hier im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung gibt es ein aktuelles Projekt: Beim neuen Holzparkhaus in Wendlingen sorgt Zinco für die Dachbegrünung in Kombination mit Photovoltaik.