Weilheim · Lenningen · Umland
Seit fast 200 Jahren kriegt es hier ein ganzer Ort gebacken

Tradition​ Das Backhaus in Zainingen gab es schon zu Großmutters Zeiten: Bis heute backen Anwohner hier ihr Brot, Laugenweckle und Kuchen. Von Natalie Eckelt.

Lydia Wörz backt schon seit über 70 Jahren im Zaininger Backhäusle. „Damals hat man sich Brot oft nicht leisten können“, erinnert sich die 88-jährige Römersteinerin. „Man hatte manchmal bis zu zehn Kinder und hat viel Brot gebraucht.“ Schüsseln für den Teig gab es keine. „Man hat den Teig in Holzmulden gelegt.“ Am Backverfahren selber hat sich aber nichts geändert. Und so wird im Zaininger Backhäusle heute noch so gebacken wie im Jahr 1838, als das kleine Häusle gebaut wurde.

„Unser Backhäusle hat eine zentrale Bedeutung für unseren Ort“, erzählt Ortsvorsteherin Susanne Pieck. „Dort trifft man sich schon am Freitagmorgen, wenn man sich für die nächste Woche in den Backplan einträgt und wer dann zufällig am Backhäusle vorbeikommt, wenn gebacken wird, bekommt mit etwas Glück schon mal ein Laugenweckle geschenkt.“ Der Duft des frisch gebackenen Brotes lockt tatsächlich so manch Hungrigen an. „Das riecht herrlich“, sagt Renate Ruopp, die die Belegung im Backhäusle organisiert.

Der Duft sei es auch gewesen, der sie zum Backen animiert habe. „Ich wohne in der Nähe vom Backhäusle und hab immer das frisch gebackene Brot gerochen“, erzählt die 55-Jährige. „Irgendwann habe ich dann mal bei einer älteren Frau aus dem Ort einen Brotbackkurs gemacht.“ Weil sie schnell gemerkt hat, dass man fürs Brotbacken mehr als nur zwei Hände braucht, hat sie ihre drei Söhne mit eingespannt. „Die können jetzt alle auch backen“, freut sie sich. Tatsächlich braucht man zum Backen auch jede Menge Kraft. „Früher gab es ein Sprichwort“, erinnert sich Lydia Wörz. „Man hat immer gesagt: Wenn du a schös Brot heimbringsch, na darfsch au ins Bett.“

Einen ganzen Tag Zeit müsse man schon einplanen. Dabei fängt die Arbeit schon bei der guten Vorbereitung an. Erstmal heißt es nämlich „Büschela machen“. Das Reisig für die Bündel wird im Frühling zu „Büschela“ zusammengebunden. Um den Ofen anzuheizen, braucht man, wenn er länger nicht angeheizt wurde und richtig kalt geworden ist, gut 15 Büschele. Dann wird Feuer gemacht und der Ofen angeheizt. Erst wenn nur noch wenig Glut da ist, wird er ausgefegt und das Brot hineingeschoben. „Mein ers­tes Brot war so dunkel, da mussten wir die Kruste wegmachen“, verrät Renate Ruopp. „Das zweite war so hell, da hatte ich Angst, dass es gar nicht durch ist. Und beim dritten Mal hat es dann geklappt“, freut sie sich.

 

Anmeldung im Rathaus

Damit der Ofen voll wird, werden zusätzlich oft noch Laugenbrötchen gemacht. „Dazu schiebt man dann noch einen Leberkäsbrät mit in den Ofen – das schmeckt so toll, da braucht man kein Mittagessen mehr“, so die Zainingerin. Auch Hefezöpfe oder Blechkuchen mit saisonalem Obst werden gerne gebacken. Renate Ruopps Liebe fürs Backhaus hat vor Kurzem leider einen Dämpfer bekommen. „Ich habe lange Zeit gar nicht gemerkt, dass ich eigentlich gar kein Gluten vertrage, weil das Brot, das wir im Backhaus machen, im Allgemeinen noch verträglicher ist als das, das man beim Bäcker kauft.“ Der Teig werde schließlich oft schon am Vorabend gemacht, sodass er länger ruht und das Gluten länger abgebaut werden kann. Nur eben leider nicht ganz.

Deshalb backt Renate Ruopp jetzt nur noch zu Hause. Doch ihre Backhauserfahrungen kommen ihr auch hier zugute. Sie hat tolle Tricks auf Lager, wie man ein glutenfreies Brot aufpeppen kann. Ihr Tipp: „Zur glutenfreien Backmischung, die man kaufen kann, gebe ich noch kleingehackte Walnüsse, Chiasamen, Flohsamenschalen, Leinsamen, äthiopische Zwerghirse, Haferflocken und abgekühlte, durch die Spätzlespresse gedrückte, Kartoffeln dazu.“ Das mache das Brot kerniger. Wer keine Unverträglichkeiten hat und im Backhäusle backen möchte, muss sich im Rathaus anmelden und dann in die Liste am Backhäusle eintragen.

Im Durchschnitt werde vier bis fünf Mal in der Woche gebacken. Weil viele berufstätig sind, sei der Samstag der beliebteste Backtag. Pro Tag darf unter der Woche immer eine Partei backen, am Samstag zwei. Wenn Renate Ruopp an der Reihe war, hat sie immer einen Teil der Backerzeugnisse auf Vorrat eingefroren. „Das konnten wir früher natürlich nicht“, weiß Lydia Wörz. „Damals hat man das Brot im Keller gelagert, damit es länger haltbar bleibt.“ Möglichen Schimmel habe man einfach abgewaschen, weil es undenkbar war, Brot wegzuwerfen. Ein Hoch auf die Gefriertruhe. Man könne die Haltbarkeit aber auch dadurch verbessern, dass man den Teig sehr lange gehenlässt.

 

Junge Bäcker(innen) gesucht

Damit das Backhäusle als Zaininger Dorfgeschichts-Zeugnis lange erhalten und vor allem auch lebendig bleibt, wurden die Öfen vor Kurzem saniert. „Der Schlussstein im Gewölbe war heruntergebrochen und musste erneuert werden“, erklärt Susanne Pieck. Die Decke müsste vielleicht einmal frisch gestrichen werden und auch die Türe sei nicht mehr dicht. Wichtig ist der Ortsvorsteherin, dass das Häusle so schön ortsbildprägend erhalten wird, wie es ist. „Und es wäre natürlich toll, wir hätten mehr jüngere Bäckerinnen und Bäcker, die es nutzen.“ Lydia Wörz kennt da eine. Sie ist stolz auf ihre erwachsene Enkeltochter, die das Backhandwerk von ihr gelernt hat und mit Freude in ihre Fußstapfen tritt. „Dui koas guad“, sagt die stolze Oma, die ihr frisch gebackenes Brot am liebsten mit „a bissle Butter und a bissle Gsälz“ genießt.

 

Info Wer die Backhaus-Erzeugnisse gerne selbst einmal probieren möchte, hat beim Hülehock am 1. und 2. Juli Gelegenheit dazu.