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Seltene Krankheit gefährdet Hunde

Juckpest Eigentlich gilt das Aujeszky-Virus in Deutschland seit Jahrzehnten als ausgerottet. Trotzdem taucht es immer wieder auf. Zuletzt wurden bei einem Wildschwein in Dettingen Antikörper nachgewiesen. Gefährlich ist der Erreger für Hunde. Experten warnen aber vor Panikmache. Von Daniela Haußmann

Vor einiger Zeit krachte ein Auto bei Dettingen in eine Wildschweinrotte. Routinemäßig wurden die toten Tiere im Labor auf Afrikanische Schweinepest und andere Krankheiten getestet. Bei den Kadavern ließen sich Antikörper gegen die Aujeszky‘sche Krankheit nachweisen. Die ist auch unter Bezeichnungen wie Juckpest oder Pseudowut bekannt. Die Namen sind ein Hinweis auf mögliche Symptome, die auch bei der Tollwut nach einer Infektion auftreten: starker Juckreiz am ganzen Körper, Ruhelosigkeit, Aggressivität, schwankender Gang, Erbrechen und Durchfall. Im Endstadium kann es zu neurologischen Störungen wie Lähmung der Gliedmaßen, Krämpfe und Muskelzucken kommen.

 

Bei Hund und Katze endet die Infektion
nach ein bis drei Tagen immer tödlich.
Dr. Thomas Stegmanns
über den dramatischen Verlauf
der Krankheit bei Haustieren

 

Hervorgerufen wird Aujeszky durch ein Herpesvirus, das eigentlich nur bei Schweinen vorkommt, wie das beim Landratsamt (LRA) Esslingen angesiedelte Veterinäramt mitteilt. Während die Borstentiere die Infektion problemlos überleben, solange sie älter als vier Wochen sind, endet die Erkrankung bei einigen anderen Säugetieren mit dem Tod, berichtet Dr. Thomas Stegmanns. Laut dem Veterinärmediziner, der die Lebensmittelüberwachung der Stadt Stuttgart leitet und Mitglied der Jägervereinigung Kirchheim ist, ist der Erreger für den Menschen völlig ungefährlich. Anders sieht es aber etwa bei Hunden und Katzen aus: „Bei ihnen endet die Infektion nach ein bis drei Tagen immer tödlich.“

Trotzdem besteht laut Thomas Stegmanns kein Grund zur Panik, denn seit 2003 gelten Deutschlands Hausschweinbestände offiziell als frei von Aujeszky. „Entsprechende Fälle treten also sehr selten auf“, so der Fachmann. Das Veterinäramt des LRA bestätigt, dass in den letzten zehn Jahren im Landkreis Esslingen bei Hunden und Katzen kein Fall von Aujeszky aufgetreten ist. Ein Grund dafür ist für Thomas Stegmanns, dass der Erreger – dank eines in den Neunzigerjahren initiierten Bekämpfungsprogramms – hierzulande eigentlich nur noch unter Wildschweinen im Umlauf ist. Infizierte Exemplare tragen das Virus ein Leben lang in sich. Ähnlich wie das Herpesvirus beim Menschen kann es laut Stegmanns durch eine Schwächung des Immunsystems, etwa durch Stress, reaktiviert werden. „Dann scheiden die Tiere den Erreger aus. Sie selbst weisen aber nicht zwingend Symptome auf“, erklärt er.

 

Bei Hunden nimmt die Krankheit einen dramatischen Verlauf. Archivfoto

 

Hund und Katze können sich infizieren, indem sie den Erreger über Maul- und Nasenschleimhäute aufnehmen. Da es für sie keine Impfung gegen Aujeszky gibt, ist Vorsorge der beste Schutz. Thomas Stegmanns rät deshalb, Fleisch und Innereien vom Schwein nicht roh zu verfüttern, sondern vollständig durchzugaren. Die Wahrscheinlichkeit, dass es über den Urin oder Kot der Wildschweine zu einer Ansteckung kommt, ist laut dem Veterinärmediziner eher unwahrscheinlich: „Wir sprechen hier schließlich über sehr kleine Stellen.“ Grundsätzlich sollten Hunde aber von Wildschweinen ferngehalten werden, um eine Übertragung durch direkten Kontakt, etwa durch Blut oder Speichel, zu vermeiden.

Deswegen rät Thomas Stegmanns, auf den offiziellen Wegen zu bleiben und Hunde, die sich nicht zuverlässig zurückrufen oder in Sichtweite halten lassen, im Wald anzuleinen. Außerdem sollten die Vierbeiner von Wildtiersammelstellen und sogenannten Luderplätzen ferngehalten werden. Gemeint sind Stellen, an denen Jäger Teile von toten Tieren dazu nutzen, um fleischfressende Tiere anzulocken. Die Gefahr, dass sich Katzen anstecken, schätzt Thomas Stegmanns als gering ein. „Sie kommen in der Natur eigentlich nur über Kontakt zu toten Wildschweinen mit dem Erreger in Berührung. Da Katzen bei der Nahrungswahl aber ziemlich wählerisch sind und frisches Fleisch bevorzugen, tragen sie nur ein sehr geringes Infektionsrisiko“, sagt der Veterinärmediziner. Er betont auch, dass Menschen, die mehrere Haustiere haben, keine Angst haben müssen, dass infizierte Hunde und Katzen das Schweine-Herpesvirus auf Artgenossen und andere Säuger übertragen. Das sei nicht möglich.

 

Prävention ist der beste Schutz. Das gilt auch für die Aujeszky'sche Krankheit, weiß Dr. Thomas Stegmanns Foto: Daniela Haußmann

 

Strenge Sicherheit soll gegen das Aujeszky-Virus in der Schweinemast helfen

Die Aujeszky’sche Krankheit, die durch ein Schweine-Herpesvirus hervorgerufen wird, kann in der Schweinezucht zu massiven wirtschaftlichen Schäden führen. Grund dafür sind die hohe Ferkelsterblichkeit und Einschnitte in der Fleischproduktion. Deswegen wurde nach Auskunft des beim Landratsamt Esslingen angesiedelten Veterinäramtes Anfang der Neunzigerjahre ein bundesweites Bekämpfungsprogramm initiiert. Dabei wurde Hausschweinen ein Markerimpfstoff verab-reicht. „Durch ihn konnten in der anschließenden Blutuntersuchung geimpfte von infizierten Tieren unterschieden werden. So war es möglich, gleichzeitig einen Impfschutz aufzubauen und die infizierten Tiere zu erkennen“, berichtet der Stuttgarter Veterinär Thomas Stegmanns.

Laut dem Veterinärmediziner ist die Aujeszky’sche Krankheit in Schweinemastbetrieben deshalb seit rund 20 Jahren kein Thema mehr. Eine Einschleppung von Aujeszky und anderen Tierseuchen über tierische Lebensmittel und Produkte ist nach Auskunft des Veterinäramtes allerdings grundsätzlich jederzeit möglich. Dessen Experten betonen, dass deshalb die private Einfuhr solcher Produkte weitgehend untersagt ist und im gewerblichen Rahmen nur unter strengen Auflagen erfolgen darf. Außerdem werden im Rahmen des Monitorings jedes Jahr zwei bis drei schweinehaltende Betriebe im Landkreis Esslingen untersucht. „Außerdem werden in der Schweinehaltung Maßnahmen ergriffen, um eine Einschleppung zu verhindern“, so Thomas Stegmanns. dh