Weilheim und Umgebung
Sie liebt die schwäbische Landschaft, aber sie vermisst auch das Meer

Lebensgeschichten Eine Bretonin lebt seit Jahren in Hattenhofen und fühlt sich vollkommen integriert.

Hattenhofen. Seit fast 20 Jahren wird dies- und jenseits des Rheins der Deutsch-Französische Tag gefeiert. Auch in diesem Jahr müssen die großen Feiern ausfallen. Für Chrystelle Biener spielen die Nationalitäten eh keine Rolle. „Wir sind alle international und sollten die Klischees vergessen.“ Die sympathische Bretonin lebt seit vielen Jahren in Hattenhofen, hat dort „in einer wunderschönen Landschaft“ eine zweite Heimat gefunden. Und trotzdem fühlt sich manchmal entwurzelt: In der Bretagne nicht mehr, in Deutschland aber nicht wirklich zu Hause – obwohl sie seit 30 Jahren hier lebt, bereits als Schülerin ihre Liebe zum Land entdeckt hatte.

In Deutschland verliebt

Als 14-Jährige hatte sie an einem Schüleraustausch teilgenommen und sich auf Anhieb „sehr in Deutschland verliebt“. Ab sofort war sie Klassenbeste im Fach Deutsch und erlebte bei weiteren Aufenthalten die Deutschen als sympathische und zugewandte Menschen. „Ich war begeistert!“ Als sie dann allerdings zum ersten Mal in die Partnergemeinde ihrer Heimatstadt reiste, war sie fast verzweifelt. Denn das Schwäbisch, das in Gammertingen auf der Alb gesprochen wurde, war ihr völlig fremd. Sie engagierte sich dennoch in der „Jumelage“ und ab da ließ sie Deutschland nicht mehr los. „Nach dem Studium bin ich von heute auf morgen hierhergefahren.“

Zwei, drei Jahre lang sollte der Aufenthalt dauern. „Ich wollte sehen, ob die Menschen wirklich so leben, wie ich es mir vorstellte.“ In der Schulbuchabteilung eines Stuttgarter Verlages fand sie eine Anstellung und traf sich weiter regelmäßig mit ihren Gammertinger Freunden. Eines Tages saß ein junger Mann mit dabei, ein Gammertinger, der in den USA studierte und gerade zurückgekehrt war. „Wir wurden das Ehepaar der Städtepartnerschaft“, berichtet sie lachend. Das Paar heiratete, zog dann ins Rheinland und kam vor 17 Jahren wieder zurück.

Das Eigenheim in Hattenhofen trägt eindeutig eine bretonische Note. Das typische bretonische Erkennungszeichen, die Frauenfigur mit hohem Hut, steht auf dem Tisch. Sie hat sie selbst getöpfert, wie auch andere kunstvolle Objekte, die in der Werkstatt der Göppinger Volkshochschule entstanden sind. Hier und in Heiningen unterrichtet Chrystelle Biener Französisch. „Das macht großen Spaß“, stellt sie fest. In ihren Kursen wird ihr manchmal über Vorurteile gegenüber Deutschland in ihrem Heimatland erzählt. „Abweisende Menschen gibt es überall. Auch ich habe Vorbehalte zu spüren bekommen.“ Nicht aber in Hattenhofen. „Wir haben hier eine tolle Nachbarschaft.“

Als sie sich ehrenamtlich im Seniorenzentrum einbrachte und sich in der Bücherei im Schulhaus engagierte „lernte ich viele nette Menschen kennen.“ Wenn sie Zeit hat, malt sie gerne und liest viel, „deutsch und französisch“. Oder sie ist mit dem Fahrrad in ihrer neuen Heimat unterwegs und genießt die Landschaft – „wenn ich auch das Meer vermisse!“ Margit Haas