Ohne Chemie geht es nicht bei der Produktion von Textilien. Aber wie reagiert die Haut auf diese oftmals nicht ungefährlichen Substanzen? Gerade wenn Schweiß im Spiel ist, kann es zu unangenehmen Folgen wie Rötungen oder Entzündungen kommen. Für die Trägerinnen und Träger der Kleidungsstücke ein Graus. Gesetzliche Vorgaben für ein Prüfsiegel gibt es nicht. Doch wollen Hersteller von Qualitätsware auf dem Markt bestehen, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als sich diese Unbedenklichkeit zertifizieren zu lassen. Die Fördergemeinschaft Körperverträgliche Textilien (FKT), ein von führenden Herstellern gegründeter Verein mit Sitz in Denkendorf, widmet sich seit mehr als zwei Jahrzehnten diesem sensiblen Thema. Zusammen mit den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) hat man dort ein Verfahren entwickelt, bei dem sich mit lebenden Zellen im Labor genau diese Unbedenklichkeit nachweisen lässt.
Als Vater des Prüfsiegels gilt Heinrich Planck, der ehemalige Leiter der DITF. Mit Michael Doser, dem früheren Bereichsleiter der Biomedizintechnik, der ebenfalls schon im Ruhestand ist, brachte er das Prüfsiegel im Jahr 2000 zur Marktreife. Das erste Untersuchungsobjekt sei damals Babywäsche gewesen, so Doser. Mittlerweile habe man weit über 10 000 Textilien getestet.
Zu den heutigen Auftraggebern zählt auch „die Mietwäsche“, ein bundesweiter Verbund aus Reinigungsunternehmen, die vor allem im Bereich Berufskleidung tätig sind. 310 Tonnen Wäsche fließen tagtäglich durch die Maschinen von „die Mietwäsche“. Das bedeutet eine hohe Verantwortung für die Qualität der Reinigung. Nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich. „Uns war es wichtig, wissenschaftlich nachzuweisen, dass unsere gewaschenen Textilien hautverträglich sind“, erklärt Christoph Müller-Stoffels, der bei „die Mietwäsche“ für die Zertifizierung verantwortlich ist.
Nachhaltigkeitssiegel gebe es wie Sand am Meer, sagt Andreas Scherrieble, stellvertretender Leiter der Prüflabore. Siegel, die die Hautverträglichkeit unzweifelhaft nachweisen, seien aber die Ausnahme. Beim FKT-Prüfverfahren wird mithilfe lebender Hautzellen das Gesundheitsrisiko eines Textils bewertet. Im Unterschied zum Label Öko-Tex schaue man nicht auf bestimmte Substanzen, sondern teste die Wirkung des Textils auf körperliches Gewebe oder auf Zellen, erklärt Doser. „Wir machen keine Inhaltsanalyse, sondern eine Wirkungsanalyse.“ Denn in aller Regel seien heutzutage nicht mehr die für die Herstellung der Textilien verwerteten Substanzen das Problem, sondern deren Verarbeitung.
„Ein Extra für die Kunden“
Aus den zu testenden Textilien werden zwei Proben entnommen und für eine längere Zeit mit einem Gel in Berührung gebracht. Befinden sich im Textil Schadstoffe, gehen diese ins hautsimulierende Gel über. Eine zusätzliche Substanz imitiert den menschlichen Schweiß. Aus dem Gel lösen die Wissenschaftler schließlich ein sogenanntes Eluat heraus, das gegebenenfalls die Schadstoffe enthält, und bringen dann die lebenden Hautzellen mit diesem Eluat zusammen. „Wir setzen die Zellen diesen Eluat-Substanzen aus und beobachten dann, ob sie eine toxische Wirkung zeigen, also im Wachstum gehindert werden oder sogar geschädigt sind“, erklärt Scherrieble die biochemischen Tests. „Die Mietwäsche“ wirbt damit, dass in den Reinigungsunternehmen Wasch- und Imprägniermittel auf pflanzlicher Basis verwendet würden. Daneben setzt man auf den Nachweis absoluter Unbedenklichkeit der Reinigung als elementare Unterscheidung. „Das ist ein Extra, das unsere Kunden sich auch wünschen“, sagt Müller-Stoffels.
Unterschiedliche Prüfverfahren
FKT-Siegel: Die Fördergemeinschaft Körperverträgliche Textilien (FKT) ist ein 1998 gegründeter eingetragener Verein, in dem sich Partner aus der Textil- und Bekleidungsindustrie zusammengeschlossen haben. Das Siegel kam 2000 auf den Markt und beinhaltet eine auf dem Markt einzigartige Kombination aus Schadstoff- und sensitiver wirkungsbezogener Körperverträglichkeitsprüfung. Pro Jahr werden im Schnitt zwischen 500 und 1000 Produktproben geprüft.
Öko-Tex: Das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete Produktlabel für Textilien ist Öko-Tex. Vergeben wird das Siegel von der Internationalen Gemeinschaft für Forschung und Prüfung auf dem Gebiet der Textil- und Lederökologie. Dabei werden Produkte aller Verarbeitungsstufen entlang der textilen Wertschöpfungskette (Fasern, Garne, Gewebe, Leder, konfektionierte Endprodukte) auf gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft. hf