Zwischen Neckar und Alb
Sind Pflegekräfte auf dem beruflichen Absprung?

Arbeitsmarkt Viele Beschäftigte wollen die Gesundheitsbranche verlassen. Die Gründe dafür sind statistisch nicht erfasst.

Region. Tausende Beschäftigte wollen bundesweit offenbar vor der Einführung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht Mitte März die Gesundheitsbranche verlassen. Die Bundesagentur für Arbeit sprach kürzlich von derzeit ungefähr 12 000 Pflegekräften mehr als üblich, die sich zuletzt arbeitssuchend gemeldet hätten.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der hiesigen Agentur für Arbeit, die für die Landkreise Esslingen und Göppingen zuständig ist. Demnach haben sich im gesamten Agenturbezirk 162 Menschen aus Pflegeberufen in diesem Januar bei der Behörde arbeitssuchend gemeldet. „Im Vergleich zum selben Zeitraum vor der Corona-Pandemie – also Dezember 2019 auf Januar 2020 – sehen wir jetzt ein Plus von 94 Menschen, das sind 138,2 Prozent“, sagt Pressesprecherin Kerstin Fickus. „Die Gründe, weshalb sie sich bei uns arbeitssuchend melden, werden allerdings von uns weder gefragt noch statistisch erhoben“, fügt sie hinzu. „Es lässt sich also nicht sagen, ob die drohende Impfpflicht hier der Auslöser für die Meldung ist oder möglicherweise Ausdruck der nun schon zwei Jahre andauernden Extrembelastung des Personals in dieser Branche.“

Kritische Entwicklung

Ob die erhöhte Zahl Arbeitssuchender tatsächlich mit der bevorstehenden Impfpflicht und entsprechenden Aufrufen in sozialen Netzwerken zusammenhängt, darauf mochte auch die Bundesarbeitsagentur keine Antwort geben. Fest steht allerdings: In einschlägigen Kanälen wird ordentlich getrommelt. Doch auch bei einigen im Pflegebereich aktiven Organisationen wie dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sieht man die Entwicklungen kritisch. So hält auch der ASB Baden-Württemberg die generelle Impfpflicht in Pflegeberufen ab dem 15. März „für eine unglückliche Entscheidung“, wie Achim Dippold vom ASB kürzlich deutlich machte. „Die sowieso stark gebeutelte Berufsgruppe erhält somit eine weitere Benachteiligung.“ Der ASB Baden-Württemberg spreche sich vielmehr für eine generelle Impfpflicht aus.

Doch wenn wirklich so viele Pflegekräfte – wie in den aktuellen Arbeitssuchend-Statistiken aufgeführt – der Branche den Rücken kehren wollen, wo wechseln sie denn alle hin? „Welche Jobs diese Menschen suchen und wohin sie gehen, lässt sich aus der Statistik nicht ablesen“, erklärt die Agentursprecherin Kerstin Fickus. Sie würden nach wie vor zunächst als Pflegekräfte eingestuft. „Wohin sie gehen, lässt sich erst mit erheblichem zeitlichen Versatz in der Beschäftigtenstatistik ablesen, die aktuell den Stand Juni 2021 hat“, erklärt die Göppinger Agentur-Sprecherin. Susann Schönfelder