Erziehung
Sitzt Holzmadens Kita-Verwaltung bald in Dettingen?

Die evangelische Kirchengemeinde will sich zurückziehen, verwaltet werden die sieben Kindergartengruppen an drei Standorten in Holzmaden künftig von der Dettinger Kirche. Einige Gemeinderäte sehen das kritisch und wünschen sich eine Alternative zur Kirche.

Auf dem Weg zu einer neuen Trägerschaft sind noch einige Hürden zu nehmen. Archivfoto: Markus Brändli

Die Sitzplätze reichten zunächst nicht aus im Sitzungssaal unter dem Dach des Holzmadener Rathauses. So viele Zuhörerinnen und Zuhörer sind selten, aber das Thema Kindergärten bewegt offenbar viele. Denn in der Urweltgemeinde ist eine lieb gewonnene Gewissheit ins Wanken geraten: dass die Kinderbetreuung in den sieben Gruppen an drei Standorten in der Gemeinde Sache der evangelischen Kirchengemeinde Holzmaden ist. Da Pfarrer Benjamin Hummel nur eine 75-Prozent-Stelle hat, wird ihm die Verwaltung der Kinderbetreuung zu viel.

 

Es geht ja nicht ums Missionieren.

Jochen Wagner (HBL) hält christliche Werte im Kindergarten für wichtig.


Denn gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren die bürokratischen und gesetzlichen Anforderungen an Kita-Träger im Bereich der Personalfindung und -verwaltung des pädagogischen Personals massiv gestiegen. Bürgermeister Florian Schepp hat daher Verständnis. „Das Kindergartenwesen wird immer komplexer“, sagt er. 

Pastor Hummel hat sich daher mit Nachbargemeinden über das Thema Gedanken gemacht und bietet nun eine Lösung an: Ab Sommer 2025 – dann läuft der Vertrag aus – soll die Gemeinde Dettingen in einer Art Verwaltungsgemeinschaft mit den Nachbargemeinden Holzmaden und Neidlingen die Kitas in der Urweltgemeinde verwalten. Der Dettinger Pfarrer Nicolai Opifanti wäre neuer Ansprechpartner für die Gemeinde, die Kirchengemeinde Dettingen der Vertragspartner.

Auch wenn der Gemeinderat dem neuen Konstrukt noch nicht zugestimmt hat, ist man in Dettingen schon einmal in Vorleistung gegangen und hat eine fachliche Leiterin als Koordinatorin angestellt. Diese Neuigkeit hat Opifanti nun persönlich in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorgestellt. Die neue Mitarbeiterin wird künftig für neun Einrichtungen zuständig sein, darunter eben auch die sieben Kindergartengruppen in der Urweltgemeinde.

„Finanziell kommen keine zusätzlichen Kosten auf Holzmaden zu“, stellt Pfarrer Benjamin Hummel gegenüber dem Gemeinderat schon mal klar. Auch nicht für die neu geschaffene Stelle, ergänzt Opifanti. Die sorge außerdem dafür, Verwaltung zu reduzieren.

Alles eitel Sonnenschein also in Holzmaden? Nicht ganz, denn der Vertrag mit dem neuen Partner, der Kirche in Dettingen, wäre erst mal auf zwei Jahre begrenzt. „Worst case: Nach zwei Jahren löst die Kirche die Vereinbarung auf. Was dann?“, fragt Florian Schepp, denn nach aktuellem Stand wären dann 135 Kinder ohne Betreuung. Garantien können ihm die Kirchenvertreter nicht geben, nur eine Perspektive. „Die Landeskirche steht dahinter.“ Aber wenn es eintreten sollte, wäre die Gemeinde in der Pflicht und müsste die Trägerschaft übernehmen, stellt Opifanti klar.

Mika Carfora (Freie Wählervereinigung) schlägt daher vor, schon jetzt parallele Strukturen zu schaffen. „Wir könnten schon jetzt einen Kindergarten rausnehmen und unter kommunale Trägerschaft stellen.“ Michael Liebrich (Holzmadener Bürgerliste) hält das für „Wahnsinn“, zwei Strukturen zu schaffen. Außerdem habe die Kirche jetzt eine fachliche Leitung, er sei „dankbar für das Konzept“. Sein HBL-Kollege Michael Thiehoff pflichtet ihm bei: „Eine kommunale Struktur schafft Konkurrenz, wir sollten nicht ohne Not eine zweite Struktur aufbauen.“ Auch Rainer Stephan (HBL) würde alles unter einem Dach lassen. „Das hat sich bewährt.“

Kindergarten Seestrasse Holzmaden, Symbolbild

 

„50 Prozent nicht in der Kirche“

Wasser in den Wein gießt Katja Hannig-Fischer (HBL): Sie fände es positiv, wenn es mehrerer Träger in der Gemeinde gäbe. „Ich hatte schon gegen die letzte Vertragsverlängerung gestimmt“, betont sie. Und Isabel Wißt (FWV) findet, das man eine weitere Trägerstruktur problemlos nach Holzmaden holen könnte. Außerdem hätten Eltern eigentlich Recht, sich Träger aussuchen zu können. „50 Prozent der zugezogenen Familien sind nicht mehr in der Kirche“, betont sie. 

Diese Aussage ruft dann Jochen Wagner (HBL) auf den Plan: „Ich sehe eine christliche Erziehung nicht als Nachteil“, sagt er. Viele andere Träger hätten kein Konzept, auch keinen christlich-humanistischen Erziehungsansatz. Das könne niemandem schaden. „Es geht ja nicht ums Missionieren“, sagt er.

Das letzte Wort in der einstündigen Diskussion hat der Bürgermeister. „Wenn wir als Kommune übernehmen, würde das ja nicht im luftleeren Raum stattfinden“, betont er, dass christliche Erziehung nicht alternativlos ist. 

Markus Ocker (HBL) ist seit vielen Jahren im Kindergartenausschuss. Strukturell sei in den vergangenen Jahren „nicht alles super“ gewesen, sagt er, dennoch sollte man das Modell mit der Dettinger Kirchengemeinde zwei Jahre testen. Er spricht sich gegen die Rauslösung einzelner Kitas aus.

Fazit: Das Bild ist ambivalent, die Entscheidung, wie man weitermacht, wird noch mal vertagt. Fest steht aber für Bürgermeister Florian Schepp: Dass die Verwaltung der Kitas in einer Hand liegt, hat für die Gemeindeverwaltung einen Vorteil. Aber kurze Wege wird es künftig nicht mehr geben. Denn sein Ansprechpartner sitzt künftig nicht mehr einmal über die Straße im Pfarrhaus, sondern in Dettingen.