Stellwerk in Plochingen
So wird die S-Bahn nach den EM-Spielen gereinigt

Wenn Spiele der EM anstehen, strömen die Fanmassen in den öffentlichen Nahverkehr. Das bekommen auch die Reinigungsteams der S-Bahn im Stellwerk in Plochingen (Kreis Esslingen) zu spüren. Was macht das Turnier für sie zu einer besonderen Herausforderung?

Mit Lappen und Gummischieber reinigen die Arbeiter Zug um Zug. Foto: Roberto Bulgrin

Der erste Zug rollt kurz nach 20 Uhr im Stellwerk der Deutschen Bahn in Plochingen ein. Sofort legt das Reinigungsteam los. Ashiqullah Turkman säubert die Sitze der Waggons Reihe für Reihe von Essensresten. Währenddessen wischen seine Kollegen Ghulam Farooq Tremory und Nawaf Sousak verschüttetes Bier auf. So arbeiten sie sich nach vorne, vom hintersten Wagen bis ins Cockpit. Es muss schnell gehen – die nächste Maschine ist schon in der Anfahrt. „Das ist harte körperliche Arbeit“, sagt Schichtleiter Kazem Naiemi.

Und während der EM gibt es besonders viel zu tun. An den Spieltagen in Stuttgart strömen die Fanmassen in die S-Bahnen. „Danach liegt deutlich mehr Müll in den Zügen und die Böden sind klebriger“, sagt Andreas Schmidt. Der 56-Jährige ist in Plochingen als Koordinator für die Fahrzeugreinigung zuständig. Im EM-Zeitraum setzt er im Schnitt sechs Putzkräfte pro Schicht ein – doppelt so viele wie üblich.

Waschstraße im Großformat

Der Arbeitstag beginnt um 18.30 Uhr. Sobald ein Zug auf den Gleisen der Plochinger Werkstatt zum Stehen gekommen ist, hängt ihm das Reinigungsteam eine gelbe Fahne ins Fenster. Das bedeutet: Diese Maschine darf gerade nicht bewegt werden. Zunächst geht eine Person mit einem Müllsack durch die Reihen und entfernt Kaffeebecher, Dönertüten und festgeklebte Kaugummis. Anschließend kümmern sich die Kollegen mit dem Wischer um den Schmutz auf dem Fußboden. Dabei kann es unappetitlich werden. Ausgeleerte Getränke gehören hier nach den Fußballspielen ebenso dazu wie Erbrochenes.

Zum Schluss sprüht ein weiterer Arbeiter Glasreiniger auf die Scheiben, dann ist die Innenreinigung abgehakt. Nun wird die gelbe Fahne abgenommen und ein Lokführer fährt die Bahn in eine mit Gleisen versehene Halle. Dort folgt die automatische Außenreinigung. Das Prinzip ist das Gleiche wie bei einer Waschstraße für Autos – nur auf Schienen und im Großformat. Nachdem der Zug den Prozess durchlaufen hat, ist er in Sachen Sauberkeit bereit für den nächsten Einsatz.

Für die Arbeiter in Plochingen war das aber gerade erst der Anfang. Ihre Schicht endet um 3.30 Uhr. Und manchmal sogar noch später. Wenn es abends im Bahnbetrieb zu Verspätungen kommt, wirkt sich das auch auf den Ablauf in Plochingen aus. Am Tag des EM-Spiels zwischen der Ukraine und Belgien in Stuttgart lässt bereits der zweite Zug auf sich warten, er wird in Bad Cannstatt aufgehalten. Das Reinigungsteam in Plochingen kann sich schon jetzt auf eine lange Schicht einstellen. An allen Außenbahnhöfen im Stuttgarter Netz werden täglich Fahrzeuge gesäubert, darunter auch in Schorndorf und Backnang im Rems-Murr-Kreis. Zu gründlichen Reinigungen kommen die Bahnen aber regelmäßig nach Plochingen. Rund fünfzig Züge fahren hier jeden Tag ein.

„Das ist Reinigung im Akkord“, sagt Veit Griesche. Als Fachreferent für das Hygienemanagement kümmert er sich unter anderem darum, welche Mittel zum Einsatz kommen. „Wir nutzen inzwischen fast nur noch Neutralreiniger“, sagt Griesche. Er fügt hinzu: „Das ist besser für die Umwelt als die sauren oder alkalischen Mittel, die wir früher hatten.“ Für die stark beanspruchten Reinigungskräfte gibt es Bewegungstrainings. Dort lernen sie, wie sie sich am besten strecken sollten, wenn sie die oberen Ecken der Fenster wischen. Oder wie sie die Kanister mit den Putzmitteln richtig anheben. Das soll berufsbedingten Schmerzen vorbeugen. Trotz der Strapazen und der nächtlichen Zeiten seien die Schichten beliebt, erzählt Naiemi. Die Reinigungsteams sind bei der DB Services angestellt, einem Subunternehmen der Deutschen Bahn. Dort werden sie nach dem tariflichen Mindestlohn ihrer Branche, der Gebäudereinigung, bezahlt. Der beträgt 13,50 Euro pro Stunde. Für die Einsätze in Plochingen gibt es allerdings steuerfreie Nachtzuschläge von 25 Prozent.

Reinigung im Akkord

Außerdem halte er seinen Job für interessant, sagt Naiemi. Er ist ausgebildeter Gebäudereiniger und bereits seit 2001 bei der Deutschen Bahn. Inzwischen sei die Arbeit in mancher Hinsicht leichter geworden, erzählt er. So müsse man heute zum Beispiel Kanister mit maximal zehn Litern Wasser und Putzmittel schleppen. Zu seiner Anfangszeit seien es noch 15 bis 20 Liter gewesen, so Naiemi. Während der EM herrscht aber auch für ihn Ausnahmezustand. Normalerweise haben die Reinigungskräfte eine 40-Stunde-Woche. Zurzeit überschreiten Naeimi und seine Kollegen diese Marke meistens. Der Bedarf sei so hoch. Dafür habe er dann nach dem Turnier wieder mehr freie Zeit, sagt Naiemi. Später am Abend setzt er sich in seinen Dienstwagen und braust davon. Neben der Schicht in Plochingen ist er in dieser Nacht auch für Reinigungsteams in anderen Außenbahnhöfen zuständig.

 

Die Reinigung der S-Bahnen in Zahlen

Werkstatt: Die Fahrzeuge werden turnusmäßig alle zwei Wochen in der Außenreinigungsanlage in Plochingen gesäubert. Dadurch stehen dort etwa 5500 Waschgänge pro Jahr an. In jedem Durchlauf kommen rund fünf Liter Neutralreiniger und 6000 Liter Wasser zum Einsatz. Bis ein Zug einmal durch die mit Bürsten versehene Halle gefahren ist, vergehen in der Regel 17 Minuten.

EM: Für die fünf Partien in der Stuttgarter Arena hat die die Deutsche Bahn ihr Angebot vor Spielbeginn und nach Spielschluss erweitert. Insgesamt werden 366 Sonderzüge mit zusätzlichen 186 240 Plätzen eingesetzt.

Abfälle: Bei Großveranstaltungen werden nach Angaben von DB-Pressesprecher Reinhold Willing im Stuttgarter Netz rund 7,8 Tonnen Müll pro Woche entfernt. Die Zahl sei im Zeitraum der Europameisterschaft ähnlich wie beispielsweise während des alljährlichen Frühlingsfestes auf dem Cannstatter Wasen.