Man muss schon sehr genau hinschauen, um die beiden Solarmodule auf dem Dach des Kielmeyerhauses am Esslinger Marktplatz zu entdecken. Jedes ist ungefähr einen Meter auf 1,70 Meter groß. Aber wer weiß: Vielleicht wird man irgendwann mal genau über diese unscheinbaren Teile sagen, dass sie der Beginn einer Zeitenwende beim Denkmalschutz waren. Die provisorisch angebrachten Panels fangen keine Sonne ein und liefern auch keinen Strom.
Thomas Kielmeyer möchte vorerst nur damit zeigen, dass Solartechnik auch auf einem denkmalgeschützten Gebäude möglich ist und aus ihm keinen Schandfleck macht. Ihm gehört das 1582 erbaute Fachwerkhaus, und die Historie zu erhalten liegt Kielmeyer am Herzen – aber nicht um jeden Preis. „Wir müssen Denkmäler auch wirtschaftlich führen können, sonst gehen sie irgendwann unter“, sagt der Architekt, „zu viel Museum brauchen wir in Esslingen nicht“. Um Kosten zu sparen, würde er deshalb gerne die Sonnenenergie nutzen und das Dach mit so vielen Modulen wie möglich belegen. Er hat ausgerechnet, dass er so an die 44 000 Kilowattstunden pro Jahr erwirtschaften könnte.
Deshalb hat er einen Bauantrag für eine Fotovoltaik-Anlage gestellt – wohlwissend, dass der mit Verweis auf den Denkmalschutz abgelehnt werden würde. So kam es dann auch, aber ein Teilerfolg war der Antrag dennoch. Die vielen positiven Rückmeldungen von Bürgern hätten gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist. Mit Clemens Kunisch, Eigentümer der Villa Nagel und Hartmut Fiedler, dem das Faulhaber’sche Haus gehört, hat er weitere Mitstreiter. Thomas Rother, selbstständiger IT-Softwareentwickler und Mieter von Hartmut Fiedler, hat die drei Immobilienbesitzer schließlich zusammengebracht.
„Wir wollen eine Diskussion auf kommunaler und Landesebene lostreten, man muss endlich Farbe bekennen und handeln“, sagt Rother. Viel zu lange habe man sich eingemauert in Regeln und Vorschriften. Hartmut Fiedler findet, dass Esslingen mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Die Stadt sei dafür prädestiniert, schließlich hat hier sogar das Landesamt für Denkmalschutz seinen Sitz. Immer darauf zu warten, dass ein übergeordnetes Amt, der Bund oder das Land etwas tut, führe zu Stillstand. „Wir müssen uns als Gesamtgesellschaft bewegen“, ist Fiedler überzeugt. Bei den Menschen sei das längst angekommen, glaubt Thomas Kielmeyer: „Die Bürger sind schon viel weiter als die Ämter.“
Warum sich der Denkmalschutz gegen Solartechnik weiter sperrt, mag ihm nicht einleuchten. „Ich fahre vor meinem Haus doch auch nicht mehr mit der Postkutsche vor und habe drinnen auch kein Plumpsklo mehr“, sagt Kielmeyer. Dass historische Bausubstanz geschützt wird, hält er für richtig und auch notwendig. Aber Denkmalschutz dürfte nicht zum Klotz werden. „Sobald ein Haus unter Denkmalschutz steht, verliert es derzeit an Wert, er sollte aber motivieren“, sagt Kielmeyer. Sonnenergie spare nicht nur Geld und Ressourcen. Sie mache auch unabhängiger von Energielieferungen aus dem Ausland. Seit dem russischen Angriffskrieg ist das aktueller denn je. „Es ist eine irre Chance, die man nutzen sollte, findet Kielmeyer. In ein paar Tagen werden die beiden Solarelemente vom Kielmeyerhaus auf das Dach des Faulhaber’schen Haus am Fuße der Burg umziehen. Später werden sie noch eine Weile auf der Villa Nagel angebracht. „So wollen wir zeigen, dass es Module gibt, die mit dem Denkmalschutz zusammengehen“, sagt Thomas Rother, „das müssen wir einfach in die Köpfe bringen“. Bei Solartechnik würden immer noch viele an bläulich schimmernde Flächen denken. Aber das ist passé. Das zeigen die beiden Elemente, die sich die drei Hausbesitzer bei der schwäbischen Firma Axsun ausgeliehen haben: Ein Modul hat die Farbe schwarz, das andere ist ziegelrot eingefärbt und fällt noch weniger auf. „Allerdings bringt Rot auch rund fünf Prozent weniger Leistung“, gibt Kielmeyer zu bedenken, weshalb er als sparsamer Schwabe Schwarz bevorzugen würde.
Thomas Rother wird von den historischen Dächern samt Panels Fotos und Drohnenvideos machen, die dann später auf der geplanten Homepage www.solardenkmaeler.de eingestellt werden sollen. So möchte man noch mehr Unterstützer ansprechen. „Je mehr wir sind, desto größer wird der Druck“, sagt Kielmeyer. Fürs Erste wäre es für ihn schon ein Erfolg, wenn Vertreter des Denkmalamts sich mit ihnen überhaupt an einen Tisch setzen und reden würden. Die Gruppe glaubt jedenfalls daran, dass sich irgendwann etwas bewegt.