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Solarpark in Wernau: Für Hasen gibt es ein kleines Schlupfloch

Energie Mit Begrünung und Schafbeweidung soll der Solarpark auf der ehemaligen Daimler-Teststrecke in Wernau naturnah gestaltet werden. Von Karin Ait Atmane

Ein Blick übers Gittertor mit dem Schild „Privatgelände“ zeigt Bäume, Büsche, Schotterflächen und Pfützen. Der Verlauf der ehemaligen Daimler-Teststrecke ist noch gut sichtbar, versiegelte Flächen wurden aber abgebaut. Dieses Gebiet habe jahrzehntelang brachgelegen, abgesehen von der Nutzung der Teststrecke, die in den vergangenen Jahren eher sporadisch erfolgte, sagte Christian Küpfer im Wernauer Gemeinderat. Von daher habe es ökologisch „natürlich einen gewissen Wert“. Der Professor für Landschaftsplanung und Naturschutz war mit seinem Büro Stadt-Land-Fluss beauftragt, die artenschutzrechtlichen Gutachten für die Fläche zu erstellen, die direkt neben dem Naturschutzgebiet Wernauer Baggerseen liegt. Das macht die Sache besonders sensibel: Das Schutzgebiet soll durch die Anlage nicht beeinträchtigt werden, Naturschützer hatten sogar gehofft, dass die Fläche dem Schutzgebiet zugeschlagen wird.

Die Eigentümer – es ist dieselbe Familie, der auch das Betonwerk gehört – wollen dagegen diese fünf Hektar Fläche wirtschaftlich nutzen. Sie haben schon 2019 die Idee einer Freiflächen-PV-Anlage ins Gespräch gebracht. Dieser Plan werde von den übergeordneten Behörden bis hin zum Umweltminis­terium „allgemein begrüßt“, ist in der Gemeinderatsvorlage zu lesen. Die Energiewende steht an, und es ist besonders im Ballungsraum schwierig, Standorte für solche Anlagen zu finden. „Mittlerweile ist es so, dass man keine Flächen mehr findet, die keine Funktion haben“, so Küpfer. Sogenannte Konversionsflächen“, zu denen auch diese gezählt wird, gehören zu den bevorzugten Möglichkeiten.

Verträgliche Gestaltung

Küpfer und seine Mitarbeiter haben Erhebungen gemacht und auch Gespräche mit den Vertretern des Naturschutzbundes Nabu geführt, der die Pflege des Naturschutzgebiets Wernauer Baggerseen in Händen hat. Der Experte geht davon aus, dass der Solarpark verträglich gestaltet werden kann, zumindest so, „dass hier die Natur nicht verliert“. So sollen die Module nicht auf betonierten Fundamenten stehen, sondern in den Boden gerammt werden und einen lichten Abstand von drei Metern aufweisen, damit Sonne auf den Boden fällt und ein Bewuchs möglich ist. Die Versiegelung bleibe unter einem Prozent der Fläche, man strebe ein „extensives, blütenreiches Grünland“ an, auf dem Schafe weiden. Der Zaun rundum werde um 20 Zentimeter nach oben gesetzt, damit kleinere Tiere wie Feldhasen durchschlüpfen können. Geplant seien auch Habitate für Zauneidechsen, Wildbienenhügel, Vogel- und Fledermausquartiere und mehr. Biber und Totholzkäfer hat man bei den Erhebungen nicht vorgefunden, wohl aber Fledermäuse und andere Holzkäfer. Auf diese werde Rücksicht genommen.

Am Rand des Gebiets soll die vorhandene Vegetation stehen bleiben. Im Bereich der Solarmodule muss gerodet werden, was der Gutachter nicht als Widerspruch zur naturnahen Gestaltung sieht. Auch im Schutzgebiet bemühe man sich, „Flächen offen zu halten – man möchte nicht, dass sie zuwalden“, sagte Küpfer. Für die mehr als 20 nachgewiesenen Vogelarten von der Amsel bis zum Zilpzalp würden zum Ausgleich sieben Niederhecken gepflanzt und Nistkästen aufgehängt. Trotzdem sei das meiste, was man bei einer Begehung mit Naturschützern besprochen habe, nicht umgesetzt, kritisierte Stefan Prakesch (Grüne) in der Sitzung, was wiederum den Gutachter erstaunte. Es handle sich um einen Kompromiss, räumte Küpfer ein, aber „ich bin der Meinung, dass wir das allermeiste berücksichtigt haben“.

Diese unterschiedlichen Sichtweisen konnten erst im Nachgang zur Sitzung geklärt werden: Tatsächlich beruhten sie teilweise auf einem Missverständnis, weil dem Nabu nicht alle Unterlagen vorlagen. Somit ist das Ende halbwegs versöhnlich, wobei Naturschützer Roland Appl weiterhin dafür plädiert, die Grenzen der PV-Anlage an einigen Stellen zu verschieben: So könne man, mit geringem Flächenverlust, bestehende Biotopstrukturen erhalten.

Eine bittere Pille ist die ganze Sache aus Sicht des Naturschutzes allemal: „Meine jahrzehntelange Hoffnung auf ein möglichst großes Naturschutzgebiet zwischen Köngen/Wendlingen und Wernau habe ich inzwischen begraben“, so Appl.

 

So geht es weiter

Anlage Die Freiflächen-PV-Anlage wird eine Fläche von rund fünf Hektar einnehmen. 12 600 PV-Module sollen errichtet werden, mit einer Gesamtleistung von 5,5 Megawatt. Damit können grob geschätzt 1500 bis 2500 Haushalte versorgt werden.

Verfahren Der Gemeinderat hat mit zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen dem Vorentwurf des Bebauungsplans zugestimmt. Im nächsten Schritt können nun die Träger öffentlicher Belange und die Öffentlichkeit Stellung dazu nehmen. aia