Finanzen
Solider Sockel in wackligen Zeiten?

Der Dreh an der Umlageschraube bringt den Kreishaushalt bis auf Weiteres ins Lot. Nach dem Etatbeschluss wollen die Volksvertreter ab Januar in Klausur gehen und ein Strategiepapier erarbeiten.

Der neue Esslinger Landrat Marcel Musolf hatte wenig Mühe, seinen ersten Kreishaushalt durchzubringen.  Foto: Markus Brändli

Geteilte Sorgen sind halbe Sorgen? Schön wär’s. Ob der kommende Kreishaushalt tatsächlich risikobehaftet ist wie kein anderer in den vergangenen 25 Jahren, wie Sieghart Friz, Fraktionschef der Kreistags-CDU, behauptet – wer weiß? Fest steht: Die Sorge um die Zukunft kommunaler Kassen treibt im zweiten Jahr der Rezession fast jedes der 94 Mitglieder im Esslinger Kreisparlament um. Das, obwohl der Haushalt, den die Volksvertreter am Donnerstag beschlossen haben, immerhin ausweist, was man eine „rote Null“ nennt. Ein Fehlbetrag von knapp 1,8 Millionen Euro erscheint angesichts eines Etats mit einem Volumen von mehr als 870 Millionen Euro tatsächlich eher wie ein Schönheitsfehler. Ein blaues Auge sozusagen, mit dem der Kreis allerdings nur deshalb davonkommt, weil bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Kreisumlage seltene Einigkeit herrscht. In Zahlen: Mit der Erhöhung von 31,5 auf 33,4 Prozentpunkte führt der Weg zu einem annähernd ausgeglichenen Kreishaushalt also über einen Griff in die Kassen der 44 Städte und Gemeinden. Landrat Marcel Musolf spricht von einem „starken Signal des Zusammenstehens in sehr herausfordernden Zeiten“.

Gesamtstrategie für die kommenden Jahre

Mit dem Haushaltsbeschluss ist die Kuh vorerst vom Eis. Die eigentliche Arbeit beginnt jedoch erst: Im Januar und Februar sind in den Fachausschüssen Klausursitzungen geplant, in denen jeder Stein umgedreht und eine Priorisierung von Aufgaben vorgenommen werden soll. Das Ziel ist klar: Es braucht eine Gesamtstrategie, vor allem Kostenkontrolle. Schließlich zeichnet sich jetzt schon ab, dass mancher Planansatz nicht zu halten sein wird. Haushaltsfallen lauern auch in den nächsten Jahren an jeder Ecke: Im Sozialhaushalt, der die Hälfte der Ausgaben beziffert und schon in diesem Jahr um fast zwölf Prozent gestiegen ist. Im ÖPNV, wo neue Projekte anstehen und die Zukunft des Deutschlandtickets nach 2025 unklar ist. Oder auch bei den Kreiskliniken, wo seither schwarze Zahlen angesichts einer chronischen Unterfinanzierung bei den Betriebskosten dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne. Das, obwohl die Medius-Kliniken landesweit als Vorzeigemodell gelten.

Schwarzmalen hilft niemand – oder nur den Falschen.

SPD-Fraktionschef Michael Medla zur Stimmung bei den Etatberatungen.

 

Dass das Thema Kreisumlage in diesem Jahr kaum Zündstoff bietet, liegt auch an Rekordinvestitionen, die ohne eine Erhöhung kaum möglich wären und die alle Fraktionen mittragen – allen voran der Bau des neuen Landratsamtes. Der kommende Haushalt sei daher nicht nur auf kurzfristige Problemlösungen ausgerichtet, sondern stelle die Weichen für eine nachhaltige Zukunft, begründet Leinfelden-Echterdingens OB, Otto Ruppaner, weshalb auch die Freien Wähler als traditionelle Hüter der Gemeindefinanzen die Umlageerhöhung diesmal mittragen. Der Landkreis bleibe damit trotz schwieriger Rahmenbedingungen handlungsfähig. Was wiederum den AfD-Vorsitzenden Ulrich Deuschle zum Querschuss verleitete: Es sei nun auch dem Letzten klar, dass die von Freien Wählern, SPD und FDP im vergangenen Jahr durchgesetzte Kreisumlage zu niedrig gewesen und daher nur mit „wahlpolitischem Populismus“ zu erklären sei, meinte Deuschle in seiner Haushaltrede. Der Sprecher der Linken, Martin Auerbach, sah mit den Haushaltsberatungen „eine veränderte Debattenkultur“ heraufziehen und schlug indirekt in dieselbe Kerbe: „Endlich geht es nicht mehr nur darum, sich bei der Kreisumlage gegenseitig zu unterbieten, sondern dem Kreis das zu geben, was er zur Aufgabenerfüllung braucht.“

Um mehr Zuversicht und Mut für neue Ideen wirbt SPD-Fraktionschef Michael Medla, der als Vertreter der führenden Ampel-Partei häufiger zur Zielscheibe wird: Schwarzmalen und Schlechtreden helfe niemandem, betonte Medla – „oder nur den Falschen“. Und die Vertreterin der Grünen, Katharina Günther-Gauger, übte Kritik an dem, was sie im Kreistag „Schattenboxen“ nennt, wenn es um die Übertragung staatlicher Aufgaben geht, die von Bund und Land nicht ausreichend finanziert seien. Solche Schimpf-Debatten seien wenig zielführend. „Wir sollten uns auf das fokussieren, was wir leisten und umsetzen können.“ An Kritik in Richtung Landesregierung spart allerdings auch sie nicht. Die schlechte Zahlungsmoral mit jahrelang verschleppten Rückzahlungen bei den Kosten für die Flüchtlingsunterbringung, die sich auf die Liquidität im Kreishaushalt auswirke, sei „nicht akzeptabel“.

FDP wittert politisches Kalkül

FDP-Chef Ulrich Fehrlen wittert Kalkül bei diesem Thema, das für die Landkreise seit Jahren ein Ärgernis darstellt, weil es sich um zweistellige Millionenbeträge handelt, die vorgestreckt werden müssen. Den Kreisen solle damit die Rückkehr zur Pauschale schmackhaft gemacht werden, statt weiterhin auf einer Erstattung der realen Kosten – der sogenannten Spitzabrechnung – zu beharren. Ganz nach dem Motto: Lieber weniger und dafür pünktlich.