Munteres Stühlerücken war bei der Sitzung des Dettinger Gemeinderats angesagt - und auch ein bisschen Reise nach Jerusalem. Zwei Gemeinderäte sowie Bürgermeister und Kämmerer nahmen in den Zuschauerreihen Platz, und plötzlich war Timo Hertl Chef der Runde. Der Grund: Die Bürger-Energiegenossenschaft Dettingen will auf dem Dach der Teckschule eine weitere Photovoltaik-Anlage bauen. Das brachte das Personenkarussell in Gang, denn Bürgermeister Rainer Haußmann ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft, Kämmerer Jörg Neubauer sein Stellvertreter. Gemeinderat Andreas Hummel wiederum ist Vorstandssprecher der Genossenschaft - und erster Stellvertreter von Bürgermeister Haußmann. Somit fiel Timo Hertl als zweitem stellvertretendem Bürgermeister die Aufgabe zu, diesen Tagesordnungspunkt der Sitzung zu leiten. Außerdem ist Gemeinderätin Birgit Brenner Vorstandsmitglied. Damit galten alle vier als befangen und mussten sich vom Ratstisch entfernen.
So ungewohnt der Beginn, so routiniert war der weitere Verlauf bei der Premiere Timo Hertls als Sitzungsleiter. Sogleich durfte Jörg Neubauer wieder auf seinem gewohnten Stuhl Platz nehmen. „Jetzt mit dem Hut der Bürgergenossenschaft“, nahm der Kämmerer den Ball von Rainer Haußmann auf. Er stellte das Vorhaben vor. 120 bis 140 Module sollen auf dem Nordbau der Teckschule entstehen. „Wir stimmen gerade ab, wo und was statisch geht“, sagte er. Auf nahezu allen anderen Dächern sind bereits Solarzellen aufgestellt. In den Oster- oder Pfingstferien sollen die Arbeiten stattfinden.
Auch Andreas Hummel durfte am Ratstisch wieder Platz nehmen. Als Referent stand ihm in dem Fall der Stuhl neben Timo Hertl zur Verfügung. Er stellte die Genossenschaft kurz vor. Die Rendite sah für die 92 Genossen schon besser aus. „Wir haben stark begonnen und stark nachgelassen“, formulierte es Andreas Hummel mit Humor. Bei 9,9 Cent sind sie jetzt angekommen, es waren schon mal rund 40 Cent.
Kirchendach ist tabu
Gemeinderat Jonas Kenner stellte bei einem Flug über Dettingen fest, dass es noch einige freie Dächer in Dettingen gibt. Er brachte auch die Kirche als möglichen luftigen Standort ins Spiel und warf die Frage auf, ob man mit der Kirchengemeinde in Kooperation treten könnte. Das sorgte für ein weiteres Kuriosum: Bürgermeister Haußmann wurde nun als sachkundiger Bürger gefragt und antwortete von den Besucherstühlen aus: „Das ist äußerst umstritten. Die einen finden Solarmodule auf einen Kirchendach modern und gut, die andern hässlich“, erinnerte er an die bereits vor Jahren geführte Diskussion.
Als Timo Hertl zur Abstimmung bat, konnte er ein einstimmiges Ergebnis vermelden. Der Gemeinderat beschloss, auch das Flachdach auf dem Nordbau der Teckschule der Genossenschaft zur Verfügung zu stellen. Dafür erhält die Kommune eine jährliche Miete in Höhe von vier Prozent auf den jährlichen Netto-Umsatz der Anlage.