Die Sitzung des Dettinger Gemeinderats war nahezu an ihrem Ende angekommen, doch dann brachte Peter Beck (SPD/Grüne) die Podiumsdiskussion zum geplanten Gewerbegebiet Hungerberg (wir berichteten) im Gremium unter Punkt Verschiedenes ins Gespräch. „Acht Minuten nach 12 Uhr am 20. Juli habe ich die Fragen, die bei der Bürgerbegehung Hungerberg am 17. Juli schriftlich gestellt wurden, bekommen. Das war uns für den 19. Juli versprochen worden. Ich bin ein Nachtmensch, aber wie alle in unserer Fraktion arbeite ich. Um 18 Uhr am 20. Juli war die Podiumsdiskussion“, machte er seinem Unmut über den späten Zeitpunkt über die Information Luft und bat – ohne Schuldzuweisung – für künftige Fälle um Rücksichtnahme auf die ehrenamtlich tätigen Gemeinderäte und schnellere Informationen.
Die Antwort von Bürgermeister Rainer Haußmann kam prompt: „Ich gebe die Kritik weiter.“ Er verwies darauf, dass Dr. Gisela Wachinger von „Pro re – Partizipation und Mediation“ von der Bürgerinitiative (BI) Hungerberg „ins Spiel“ gebracht worden war. „Frau Wachinger hatte allein die Aufgabe, bis zum 19. Juli alle Fragen zu liefern. Wenn sie das bis 23 Uhr auslegt, dann ist das so“, sagte Rainer Haußmann. Zu 100 Prozent liege die Verantwortung bei „Frau Wachinger“. Das wollte Peter Beck so nicht stehen lassen und sagte im Hinblick auf eine klare Deadline: „Für künftige Fälle bitte ich um saubere Absprachen.“ [Anmerkung der Redaktion, 30.07.2021: Nach Informationen, die uns inzwischen vorliegen, war Montag, 19.07.2021, 23 Uhr, gemäß dem bestätigten Auftrag als Abgabetermin vereinbart worden. Somit wurde der Fragenkatalog aus rund 400 bei der Begehung gesammelten und nach Themenbereichen geordneten Fragen durch das bearbeitende Büro (pro re, Dr. Gisela Wachinger, Stuttgart) tatsächlich termingerecht vorgelegt.]
Wenige Minuten zuvor war der Bürgerentscheid zum Hungerberg am 26. September, dem Tag der Bundestagswahl, schon Thema im Gemeinderat. „Die Herausforderung ist, den Bürgern klar zu kommunizieren, was genau der Text des Bürgerbegehrens bedeutet – und da sollten alle mithelfen“, sagte Rainer Haußmann. Die BI schreibt auf ihrer Homepage: „Stimmen Sie mit ,Ja zum Erhalt des Hungerbergs in seiner unbebauten Form!‘ “
Bürgermeister Rainer Haußmann
über den Inhalt der Sonderveröffentlichung
Am 3. September soll die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtveröffentlichung im Gemeindeblatt erscheinen. Rainer Haußmann warb eindringlich für eine komprimierte Form von vier Seiten. Das sei pragmatisch. Er denke aus Bürgersicht. Je übersichtlicher und komprimierter die Aussagen seien, desto besser sei es, die unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen. Erste und letzte Seite seien quasi vorgeschrieben, blieben also noch zwei Seiten beziehungsweise vier Seiten, um für oder gegen das Projekt zu werben. „Bei zwei Seiten Information sieht das so aus: Die eine Hälfte, also eine Seite, steht der BI zur Verfügung. Sie hat das Verfahren ja initiiert, das ist in Ordnung. Wir – also ich als Bürgermeister und Sie als Gemeinderat – müssen uns die zweite Seite je zur Hälfte teilen. Ich habe eine Viertelseite, Sie ebenfalls“, erklärte Rainer Haußmann. Für Inhalt und Layout sei jeder für sich selbst verantwortlich, die Verwaltung halte sich da raus.
„Ich stehe mit meinem Namen dazu“, sagte Stefan Russ (CDU/FWV). Dies macht in seiner Fraktion Sinn, denn es gibt dort sowohl Befürworter für den Hungerberg als auch Gegner. Dies wiederum brachte Ulrike Schweizer – Dettinger Bürgerliste (DBL) – auf. „Ich habe Bauchschmerzen, ich will nicht mit meinem Namen auf dieser Seite stehen“, erklärte sie. Noch heute würden Dettinger Bürger einem die namentliche Positionierung auf den Sonderseiten „um die Ohren hauen“, als es um die Abstimmung des Stegs über die B 465 im Jahr 2006 ging. „Langfristig gesehen habe ich ein Unbehagen, wenn mein Name konkret druntersteht. Das halte ich nicht für gut, es ist mir zu plakativ“, sagte sie.
Manch Gemeinderat war ob dieser Aussage verdutzt, es wurde aus dem Kollegenkreis aber auch mehrfach die goldene Brücke gebaut. Da die Fraktion komplett einer Meinung ist, könne auch mit DBL unterzeichnet werden, so der Vorschlag. Diese Ansicht teilte Rainer Haußmann nicht. „Es ist aus Bürgersicht schon fast eine Pflicht, sich mit seinem Namen für oder gegen das Gewerbegebiet Hungerberg zu positionieren. Die Bürger möchten wissen, wer wo steht“, erklärte er.
Am Ende entschied sich das Gremium für zwei Varianten, die der BI vorgeschlagen werden sollen, denn sie hat hier das letzte Wort. Klarer Favorit des Gemeinderats sind vier Seiten Veröffentlichung – also nur zwei Seiten mit Argumenten der drei Parteien BI, Bürgermeister und Gemeinderat. Das Angebot mit vier Seiten Informationen besteht jedoch. „Dann könnte es ja eine größere Schrift sein“, brachte Peter Beck ein.
Kommentar
zum geplanten Gewerbegebiet Hungerberg von Iris Häfner
Unnötiger Zeitdruck
Es wird immer deutlicher: Der Zeitdruck bringt völlig unnötig Stress. Warum musste alles in einen derart eng getakteten Zeitplan reingepresst werden? Jedem war klar, die Sommerferien stehen kurz vor der Tür.
Die Bürgerinitiative Hungerberg hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bürgerentscheid locker bis Ende des Jahres geschoben werden kann. Dann hätten in Ruhe sämtliche Bürgerinformationen stattfinden können. Bürgermeister Rainer Haußmann hat jedoch unmissverständlich klar gemacht, dass er am Tag der Bundestagswahl auch den Bürgerentscheid über die Bühne bringen will. Jetzt hat sich gezeigt, mit welchen Folgen. Die Fragen aus der Bürgerbegehung am Samstag, 17. Juli, wurden montags kurz vor Mitternacht den Beteiligten der Podiumsdiskussion, die am Folgetag um 18 Uhr begann, per Mail zugeschickt. Den Schwarzen Peter dieser späten Informationslage jetzt dem beauftragten Büro zuzuschieben, zeugt nicht von Fairness seitens des Bürgermeisters. Es war Wochenende.
Ja, es ist pragmatisch und für die Wahlhelfer effizient, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können, also Bundestagswahl und Bürgerentscheid in einem Durchgang abarbeiten zu können. Aber wer – wie Rainer Haußmann nicht müde wird zu betonen – die Bürger ehrlich mitnehmen will, muss allen eine faire Chance geben, in einem entspannt verlaufenden Prozess in Ruhe eine Entscheidung treffen zu können. Dies ist wegen der sechswöchigen Sommerpause jedoch ad absurdum geführt. Zwei wichtige Informationsveranstaltungen wurden wegen des grundlosen Zeitdrucks in kurzem Abstand terminiert.
Misstöne sollten um jeden Preis vermieden werden, damit der Frieden im Dorf gewahrt werden kann. Das ist dem Gemeinderat wichtig. Es soll nur um die Sache gehen, weshalb das Gremium auch um Sachlichkeit bemüht ist. Die Chance für Frieden und Sachlichkeit in der Diskussion besteht trotz des beschlossenen engen Zeitplans weiterhin, auch wenn unnötig Porzellan zerschlagen wurde.