Montagabend, 19 Uhr: Der Weilheimer Atilla Özkan erfährt von der Erdbebenkatastrophe in der Türkei. Er ruft seinn Cousine Seray in Adana an. Die Zwei-Millionen-Metropole liegt am südwestlichen Rand des Erdbebengebiets. „Sie musste ihr Haus verlassen, und stand im Pyjama auf der Straße“, erzählt Özkan. Für ihn war klar: Er muss handeln. „Die Idee war, in einem kleinen Kreis Sachspenden zu sammeln, und es dann zu einem Lkw zu bringen.“
Der 40-Jährige mobilisierte die Nachbarschaft in der Weilheimer Gänsweide und schickte um 19.27 Uhr einen Post raus. „Das war ein echtes Gänsweide-II-Projekt. Wir sind sehr aktiv, feiern viel gemeinsam, aber wir helfen uns auch viel.“ Parallel suchte er einen Lkw, der mit Hilfsgütern in die Türkei fährt, doch das erwies sich als schwierig. Bis nach Schwäbisch Gmünd und Reutlingen fuhr Atilla Özkan um festzustellen, dass er die Sachen gar nicht unterbringen kann. Da mittlerweile auch der Weilheimer Gastronom Jesse Burgmann sein Netzwerk aktiviert hatte, nahm die Spendenbereitschaft ein derartiges Tempo, dass sich in der Garage100 Kisten und zwei Rollstühle stapelten, mit Winterbekleidung, Schlafsäcken, Kindersachen,
Windeln – bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt geht es vor allem um warme Sachen und darum, dass die Kleinsten versorgt werden können. Zwischenzeitlich waren ein Dutzend Leute in Özkans Garage am stapeln und sortieren.
Die Lösung lag schließlich unmittelbar in der Nähe, im Nachbarort Holzmaden. Dort hatte der Unternehmer Melik Sarikaya nicht nur Spenden gesammelt, sondern auch Mietlastwagen organisiert. Doch die ersten drei waren schon so gut wie voll. Als er den dann sogar einen vierten Truck zur Verfügung hatte, war klar: Da gibt es auch Platz für die Kisten aus Weilheim. „Das war schwieriger als gedacht, aber am Ende haben wir es gemeinsam geschafft“, sagt der Geschäftsführer eines Sanierungsunternehmens. In seinem Lager waren zwischenzeitlich 60 Leute am Packen. In vier verschiedene Städte sind die Laster nun unterwegs: In die völlig zerstörte Stadt Eldistan, Adeyanan, in die Provinz Hatay und nach Pazarcik.
Gesammelt wurde auch in Kirchheim, etwa beim Mobilfunkhändler Fonkmobile im Teckcenter. Auch dort wurden binnen Stunden die Kapazitäten gesprengt. „Das war überwältigend, da kommen einem jetzt noch die Tränen“, sagt Emek Ileli. Der Kirchheimer hat dort nicht nur seine eigenen Sachen hingebracht, sondern auch noch die Mitglieder seines Dettinger Fußballclubs angesprochen, ob sie etwas spenden wollten. Sie wollten. Als es dann im Geschäft zu voll wurde, brachten Helfer die Spenden zu einer Firma nach Unterensingen, wo ein Truck wartete. Dort musste dann alles in Kartons umgepackt werden.
Mit 7,5-Tonner nach Holzmaden
Auch in Weilheim sind alle Spenden nach Holzmaden gebracht und dort verpackt worden. Für die Tour nach Holzmaden hat Nachbar und Spediteur Rainer Fischer einen 7,5-Tonner zur Verfügung gestellt. Übrigens ist Atilla Özkans Cousine mittlerweile mit ihren Kindern untergekommen. Aber es brauchen noch so viele Menschen mehr Hilfe in der Krisenregion. In Kirchheim, Weilheim und Umgebung war es sicher nicht die letzte Hilfsaktion.