Zwischen Neckar und Alb
Sprayen ohne Strafe

Graffiti Jugendliche wünschen sich legale Flächen, die sie mit ihren Sprayfantasien füllen können. Die Stadt Esslingen hält dafür Flächen bereit, allerdings nur in begrenztem Umfang. Von Simone Weiß

Lange graue Betonwände schmeicheln nicht jedem Auge. Aber Graffiti auch nicht. „Schmierereien“ und „Sachbeschädigung“, wettern die einen dagegen, von der geschmähten Underdog-Aktion zur anerkannten Kunstform gereifte Verschönerungen nennen es die anderen. In jedem Falle werden immer wieder Stimmen laut, die den Wunsch nach legalen Sprühflächen äußern.

So auch ein junger Mann, der gegenüber der Stadt die Meinung vertrat, dass es dringend öffentlicher, legaler Flächen für Graffiti bedürfte, denn Sprühen ohne Strafe sollte seiner Meinung nach in Esslingen möglich sein. Ist es, erklärte daraufhin das Pressereferat der Stadt: Diese legalen Flächen seien extra gekennzeichnet und befinden sich an der Fußgänger­unterführung am Hengstenberg-Areal entlang des Roßneckars. Die westliche Wandfläche könne problemlos mit Graffiti verschönert werden. Doch „die östliche Fläche darf nicht besprüht werden, da die weiße Wand als Reflexionsfläche wegen der Länge der Unterführung erforderlich ist“.

Es kann teuer werden

An nicht genehmigten Flächen sollten Graffiti-Künstler den Deckel lieber auf der Spraydose lassen: „Das Bemalen oder Besprühen fremder Sachen mit Graffiti ist von § 303 Absatz 2 Strafgesetzbuch erfasst. Demnach liegt eine Sachbeschädigung auch bei der bloßen Veränderung des Erscheinungsbildes fremder Sachen vor, sofern diese nicht vorübergehend ist“, äußert sich das städtische Ordnungsamt. Wenn zureichende, tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, dann müsse der Polizeivollzugsdienst nach dem Legalitätsprinzip die erforderlichen Ermittlungen und Maßnahmen zur Aufklärung dieser Straftat und zur Verfolgung des Beschuldigten veranlassen, weiß das Ordnungsamt weiter. Die Realität sieht allerdings anders aus: „Aufgrund von Personalmangel und ausufernden Kosten bei der Beseitigung werden von der Stadt Esslingen momentan nur noch fremdenfeindliche, böse und rassistische Schmierereien entfernt. Das heißt, sie werden lediglich mit Farbe übermalt. Dabei ist teilweise ein zwei- bis dreifacher Anstrich erforderlich.“

Das kann teuer werden - für die Stadt und die Verursacher. Die Kosten für die Beseitigung der unerwünschten Klecksereien setzen sich aus Stundenaufwand für den teils mehrfachen Anstrich, Anfahrtszeit und Material zusammen und belaufen sich je nach Größe einer Fläche und Art des Untergrunds auf etwa 150 bis 200 Euro pro Quadratmeter Graffiti. Die Ausgaben für das Entfernen von Graffiti auf Natursteinmauern wie Sandstein sind nach Angaben der Pressestelle wesentlich höher: „Hier muss der Untergrund erst mit einem Spezialmittel vorbehandelt werden, bevor das Graffiti in mühevoller Kleinarbeit entfernt werden kann. Die Kosten hierfür betragen pro Quadratmeter zwischen 300 und 500 Euro.“ Diese Säuberungsarbeiten müssten von einer Spezialfirma ausgeführt werden.

Gegen jede Art von Sachbeschädigung durch Spraykunst wendet sich auch Markus Benz, Geschäftsführer des Stadtjugendrings Esslingen. Er hat aber auch Verständnis für den Wunsch der Jugend nach legalen Graffitiflächen: „Nicht jede Betonwand verliert an Wert, wenn sie besprayt wird.“ Es würde sowieso zu wenig Kunst im öffentlichen Raum in Esslingen geben. Es müsse nicht immer alles schön und proper in der City sein. Die Stadt laufe sonst Gefahr, zum Freilichtmuseum zu verkommen. Denn: „Es macht auch den Reiz einer Stadt aus, dass sich etwas tut und etwas verändert.“ Natürlich dürfe dadurch nichts zerstört oder beschädigt werden. Daher der Appell von Markus Benz an die Eigentümer von Gebäuden, Industriebrachen oder Mauern, ihre Flächen legal für Graffiti zur Verfügung zu stellen: „Es würde der Stadt guttun, wenn der eine oder andere Besitzer sich darauf einlassen würde.“