Filigrane Bilder auf feinem Gebäck – Springerle gehören zu den größten Kunstwerken unter dem Weihnachtsgebäck. Und eine wahre Königin der Springerle kommt aus Kirchheim: Ingeborg Hölze lehrt schon seit vielen Jahren die Kunst des Springerlebackens in Kirchheim. So wäre auch sie es gewesen, die die Back-Aktion der evangelischen Kirchengemeinde in diesem Jahr leitet, doch altersbedingt reicht sie nun den Staffelstab – oder in diesem Falle das Wellholz – weiter an Ulrike Rickelt und Susanne Knauer. Zusammen leiten sie das Projekt und backen mit einer Gruppe Freiwilliger Springerle – natürlich nach dem Original-Rezept von Ingeborg Hölzle.
Mittags dann trudeln die Freiwilligen ein. Zehn Menschen aus der Teckregion haben sich gemeldet. Gemeinsam wollen sie Springerle in rauen Mengen produzieren. Das hübsche Gebäck wird dann auf dem Kirchheimer Weihnachtsmarkt verkauft. Der Erlös kommt der Martinskirche zugute. Manche der Teilnehmenden sind schon alte Hasen, doch die eine oder andere backt an diesem Tag zum ersten Mal Springerle.
Zuerst muss der Teig zubereitet werden. Jeder bereitet seine eigene Schüssel voll Teig zu. Und damit alle gleichzeitig arbeiten können, haben sie aus ihren eigenen Küchen Handrührgeräte und Wellhölzer mitgebracht. Zuerst müssen Eier und Puderzucker sehr schaumig gerührt werden. So wird der Teig schön luftig. Neben Vanillezucker und etwas Salz kommen dann noch Mehl und Hirschhornsalz hinzu. Wichtig ist, das Mehl nicht plump in die Masse zu kneten, sondern es vorsichtig unterzuziehen, damit die Schaummasse nicht kaputtgeht.
Das Hirschhornsalz und das Ei sorgen dafür, dass der luftige Teig beim Backen schön hochgeht – also „springt“ – und seine „Füßle“ zeigt. „Die meisten kennen Springerle nur noch als Weihnachtsgebäck“, sagt Susanne Knauer. Tatsächlich wurde das kunstvolle Gebäck in Süddeutschland einst das ganze Jahr über zu besonderen Anlässen gebacken. Zwar auch zu Weihnachten, aber auch zu Ostern, zu Hochzeiten oder zu Taufen – sprich: zu kirchlichen Anlässen. Heute werden die Spingerle hell gebacken, verschenkt, früher wurden sie aber auch bunt bemalt und als Bild an den Baum gehängt.
Die filigranen Bilder werden mit Modeln in den Teig gedrückt. Die Hohlformen bestehen ursprünglich aus Holz oder Ton, zwischenzeitlich gibt es aber auch viele Model aus Kunststoff. Speziell angefertigt wurden Model, die die Martinskirche und das Rathaus in Kirchheim zeigen. Für die Back-Aktion in der Mensa des LUG werden viele Model von Ingeborg Hölzle verwendet, doch auch Sammler, wie Günther Frey, haben ihre einzigartigen Stücke mitgebracht. Da ist der Heilige Sankt Martin, der seinen warmen Mantel von der Schulter schwingt, oder auch ein Reiterbild, das einen Soldaten zeigt. Diese Form stammt, so berichtet Günther Frey, aus dem Ersten Weltkrieg.
„Wer möchte ein Erfolgserlebnis?“, fragt Susanne Knauer in die Runde. Am einfachsten, so sagt die erfahrene Springerle-Bäckerin, sind kleine Model, am besten aus Kunststoff. „Ein einfaches Model für mich“, schallt es sogleich durch die Lugeria-Küche. Doch Susanne Knauer hat noch mehr Tipps parat: „Die Model müssen gut mit Mehl bestäubt werden“, sagt sie. Die filigranen Formen sollten bis in die kleinsten Ecken mit Mehl bepinselt werden, damit der Teig später wieder leicht aus der Form geht. Ist zu wenig Mehl in der Form, klebt der Teig fest und muss vorsichtig mit Pinsel oder Zahnbürste entfernt werden. Ist allerdings zu viel Mehl im Model, kommt der Teig nicht mehr in jede Ritze. „Dann muss der Model ausgeklopft werden“, sagt Susanne Knauer.
Schon wollen die fleißigen Bäckerinnen und Bäcker zur Tat schreiten, doch die Kursleiterinnen Susanne Knauer und Ulrike Rickelt erinnern die Gruppe daran, dass sich jeder Teilnehmende ein gefettetes Backblech vorbereiten soll. So klebt der Teig nicht am Backblech fest und bleibt unten schön feucht. „Das ist wichtig für die Füßle“, sagt Ulrike Rickelt. Manch einer mag Backpapier oder gar Alufolie fürs Springerle-Backen nutzen, doch laut dem Originalrezept der „Queen of Springerle“, wie Ulrike Rickelt Ingeborg Hölzle nennt, kommen Butter und Anis auf das nackte Blech.
Die fertigen Teiglinge kommen dann auf ein Blech, dort müssen sie für 20 Stunden ruhen. So trocknet das Bild oben an, während der untere Teil schön weich bleibt. „Das Füßle geht hoch, das Bild bleibt“, sagt Ulrike Rickelt. Auch der übrige Teil, so erklärt Susanne Knauer, wird verwendet. Aus ihm macht die Gruppe „Glühweinbrot“: Er wird mit klassischen Ausstechern ausgestochen, ganz ohne hübsche Bilder obenauf. Auch diese „Probiererle“ gibt es dann auf dem Weihnachtsmarkt in Kirchheim.
Wie kompliziert die Arbeit ist, weiß Gabriele Scorciapino. Die Schlierbacher Landfrau hat sich für einen Schnecken-Model entschieden, das passgenau mit einem Ausstecher abgetrennt wird. Doch obwohl Gabriele Scorciapino viel Erfahrung im Springerle-Backen hat, will der Teig nicht sauber aus dem Model – trotz Mehl. „Da spielt die Luftfeuchtigkeit mit rein“, ist sich die Schlierbacherin sicher. Außerdem, so hört man an diesem Tag, können die Eier zu groß gewesen sein. Doch mit etwas Geschick und einer ordentlichen Portion Erfahrung gelingt es Gabriele Scorciapino, die Schnecken-Springerle sauber auf das Backblech zu bekommen.
Die fertigen Bleche werden über Nacht in einem Wagen gestapelt, dort können die Oberflächen trocknen. Am nächsten Tag werden Ulrike Rickelt und Susanne Knauer in die Lugeria zurückkehren. Dort werden die Teiglinge nach 20 Stunden Ruhezeit gebacken und portioniert. Die kleinen Päckchen verkaufen sie dann auf dem Weihnachtsmarkt in Kirchheim – zugunsten der Martinskirche.