Die am häufigsten gestellte Frage beantwortet Klaus Schädel gleich vorneweg: Zum Rauchen eignet sich der Hanf auf seinem Feld in Ohmden nicht. „Das ist Nutzhanf mit einem geringen THC-Gehalt unter 0,2 Prozent“, sagt er. Da gelten strenge Auflagen. Dennoch bekommt der Hanfbauer immer wieder mal Anfragen wie jüngst von einer Studenten-WG, ob man nicht mal eine kleine Menge zum Eigenkonsum bekommen könnte. „Nein“, sagt er lachend. Tatsächlich wäre es auch viel zu schade, diesen natürlichen Superwerkstoff einfach in die Luft zu blasen.
Denn Hanf kann viel mehr, und das hat auch der Kirchheimer Handschuh- und Stockhersteller Leki erkannt. Das Unternehmen hat sich mit dem Ohmdener Hanfbauer in Verbindung gesetzt, um einen „grünen“ Trekkingstock zu entwickeln. „Wir arbeiten schon länger daran, nachhaltiger und biobasierend zu produzieren und fossile Energien zu reduzieren“, sagt Eberhard Heim, der als Technischer Leiter beim Kirchheimer Unternehmen für Forschung und Entwicklung verantwortlich ist.
Mit dem Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung in Denkendorf forscht Leki schon länger an einer „grünen“ Alternative zu Carbon und Co. Zwangsläufig stieß man auf Hanf, aus dem früher Segel oder Taue gefertigt wurden und der erst in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom Plastik abgelöst wurde. Dann erfuhren die Kirchheimer Stock-Profis, dass der Superwerkstoff sogar in der unmittelbaren Nachbarschaft angebaut wird, nämlich bei Hanfbauer Schädel in Ohmden. „Der ist sechs Kilometer von der Firmenzentrale entfernt“, freut sich Lara Friedel aus der Marketingabteilung. Klaus Schädel macht daraus vor allem Hanföl und verkauft auch den Samen, gesund für Mensch und Tier.
Klaus Schädel hat das Projekt sofort begeistert. „Hanf war ja die Superfaser des Mittelalters“, erzählt er. Ihre Eigenschaft, viel Wasser aufnehmen und wieder abgeben zu können, ohne aufzuweichen, machte sie so wertvoll. Für das Projekt stellte er dem Unternehmen ein 30 Mal 90 Meter großes Testfeld zur Verfügung, das er noch kurz vor Ablaufen der Frist im vergangenen Jahr anmelden konnte – der Hanfanbau ist in Deutschland streng reglementiert. Dass die Kooperation in der Nachbarschaft geklappt hat, freut Eberhard Heim besonders: „Der größte Hanfproduzent ist China“, sagt er. Doch Nachhaltigkeit lässt sich allein wegen des Transportaufwands mit Hanf aus Fernost nicht so gut vereinen.
Für den neuen Trekkingstock Hemp One Vario musste Leki nicht nur den Produktionsprozess umstellen. Dabei muss die Bastrinde vom Baststreifen getrennt und dann nach weiteren Verarbeitungsprozessen in einem Gemisch mit Kunstharz zu einem widerstandsfähigen Rohr verarbeitet werden – die Struktur ist bei jedem Exemplar sichtbar und unterschiedlich. „Jeder Stock ist ein Unikat“, sagt Heim. Dementsprechend war man schon auf der Sportmesse ISPO ein echter „Hingucker“. Im Schaft des „Hemp One Vario“ wurden Hanffasern mit Harz verarbeitet, der Griffkern des Evocon Trekkinggriffs besteht zu 25 Prozent aus Hanf, auch der Teller enthält 25 Prozent Hanf. Die Länge kann zwischen 110 bis 130 Zentimeter eingestellt werden, allerdings verläuft der Schaft nicht konisch, das ist momentan noch nicht möglich.
Das Wort „Bio“ sei ebenfalls zutreffend, denn was viele Unternehmen als sogenanntes Greenwashing betreiben – minimale positive Umweltaspekte eines Produktes überbetonen –, will Leki nicht: „Der Bio-Anteil beträgt mehr als 60 Prozent“, sagt Heim. Das will man noch weiter steigern, allerdings sind dem Biotrend auch Grenzen gesetzt. Aus Sicherheitsgründen bestehen bestimmte Funktionsteile weiterhin aus Plastik oder Aluminium.
Für den alpinen Bereich sind die Stöcke noch nicht geeignet, weil sie in Relation zum Hightech-Carbon schwerer sind. Aber im Trekking-Bereich kommen zunehmend auch Profis auf den Geschmack, auch wenn sie mit 290 Gramm 30 bis 40 Prozent schwerer als Carbon-Trekkingstöcke sind. „Die Nachfrage wird immer größer“, sagt Heim. Das liegt auch daran, dass es selbst den Top-Athleten nicht nur um die reine Funktionalität, sondern auch um Bewusstsein für Umweltverträglichkeit geht, vor allem diejenigen, die ihren Sport in der Natur ausüben. Von 300 Paar habe man bislang 200 über den Vertriebspartner Globetrotter verkauft, sagt Heim. Bei diesen Stückzahlen macht Leki noch keinen Gewinn, aber in dieser Phase geht es darum auch noch nicht. Das mittelfristige Ziel ist, erst mal 800 Stück in Deutschland auf den Markt zu bringen.
Leki wird jedenfalls weitermachen, denn abgesehen vom Zeiteinsatz bringt das Projekt auch neue Erfahrungen für die Produktentwickler: Für den Prototypen stellte sich Heim mit seinen Teamkollegen bei der Aussaat und der Ernte mit auf das Feld, um zu helfen.