Plochingen. Kein versuchter Totschlag, kein Tötungsvorsatz - das war am Montag die einhellige Meinung der Verteidiger eines angeklagten Zwillingspaares - und diese ist völlig konträr zu jener des Anklagevertreters. Die beiden 30-jährigen Männer müssen sich zusammen mit einem 27-jährigen Mitangeklagten seit Anfang November vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Sie sollen am 13. Februar 2020 nach einem Messerangriff auf einen befreundeten Friseur in Plochingen den Tätern hinterhergerannt sein und einen von ihnen mit Messerstichen und einem Oberschenkeldurchschuss verletzt haben.
Für die Staatsanwaltschaft sind die Zwillinge wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung schuldig zu sprechen. Jeweils sechs Jahre Haft wurden gefordert. Für den dritten Angeklagten wurden fünf Jahre gefordert. Er sei zusätzlich zu dem versuchten Totschlag auch wegen unerlaubten Führens und Besitzes einer Schusswaffe zu verurteilen.
Verteidiger will Freispruch
Drei Gerichtsverfahren fanden zu der Tat in Plochingen und einer mutmaßlich zusammenhängenden Streitigkeit in Nürtingen statt. Zunächst war vermutet worden, dass es sich bei dem Vorfall um einen internen Bandenstreit des sogenannten „Team Red“, eine Nachfolgeorganisation der 2013 verbotenen Gang „Red Legion“, handelt. Das bestätigte sich offenbar nicht. In der kommenden Woche soll das Urteil im letzten der drei Verfahren gesprochen werden. An diesem Montag gaben die Verteidiger der Zwillingsbrüder ihre Plädoyers ab. Der Verteidiger des dritten Angeklagten, Thomas Scherzberg, hatte bereits bei einem früheren Termin einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert.
Der Anwalt des ersten Zwillings, Jürgen Amrehn, kritisierte in seinem Plädoyer die Beweisaufnahme. So sei nicht in die Akten eingegangen, dass ein Zeuge, der seinem Mandanten ein Alibi angeboten haben soll, bei der Polizei beteuert habe, das sei nur ein Scherz gewesen. „Auch die Aussage einer Zeugin, sie habe nur einen der ihr bekannten Brüder am Tatort erkannt, sei nicht in der Akte wiederzufinden. Amrehm fordert für seinen Mandanten ebenso Freispruch wie Verteidiger Ralf Steiner für den Zwillingsbruder. Dieser habe sich in der Untersuchungshaft von allen kriminellen Kontakten losgesagt. Bis auf seine Freundschaft mit dem Friseur bestünden keine Verbindungen in diese Szene. Steiner kritisierte, dass nur deshalb beide Brüder angeklagt worden seien, weil sie sich so ähnlich sähen. Sein Mandant habe den Angreifer verfolgt und zu Boden gebracht - aber nicht, damit dieser von den anderen verletzt würde. Julia Theermann