Nürtingen. Weil er sich nicht von einer 17-jährigen Nürtingerin fernhalten konnte, muss ein 32-jähriger Asylbewerber für sieben Monate ins Gefängnis. Bereits Anfang des Jahres wurde der Angeklagte wegen Nachstellung zur Rechenschaft gezogen.
Damals entschied das Gericht, dass sich der Mann mindestens 300 Meter von der 17-jährigen Schülerin fernhalten muss und auch auf keine andere Weise Kontakt zu ihr aufnehmen darf. Immer wieder hatte der Mann der Nürtingerin im vergangenen Jahr aufgelauert, sie belästigt und verfolgt - sogar bis nach Hause. Wegen Nachstellung und Hausfriedensbruch verhängte das Gericht im Februar eine Geldstrafe und Kontaktsperre. Davon ließ sich der Angeklagte jedoch nicht abschrecken. Laut Anklageschrift hat der Mann schon wenige Zeit später versucht, sein Opfer über das soziale Netzwerk Instagram zu kontaktieren. An einer Bushaltestelle und im Bus habe er sich dem Mädchen außerdem wieder genähert. Schließlich sei er sogar bei ihr zu Hause im Garten aufgetaucht und habe von den Eltern verlangt, mit der Tochter sprechen zu dürfen.
Noch bevor der Angeklagte zu den Vorwürfen Stellung nehmen konnte, machte ihm Richter Alexander Brost deutlich, dass er nicht versuchen solle, ihn an der Nase herumzuführen. Man habe genug Beweise vorliegen, die gegen den Angeklagten sprechen. „Wenn es etwas zu gestehen gibt, sollten Sie das tun“, warnte ihn der Richter. Immerhin könne das darüber entscheiden, ob die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht.
Angeklagter sieht sich als Opfer
Der Angeklagte nahm den Rat allerdings nicht an und versuchte, sich selbst als Opfer darzustellen: Das Mädchen verfolge ihn und nicht andersrum. „Mit ihren Augen hat sie gesagt, ich solle ihr folgen“, übersetzte die Dolmetscherin des Mannes. Immer wieder habe sie ihm das mit ihrer Körpersprache zu verstehen gegeben: „Wenn ein 17-jähriges Mädchen einen so anguckt, weiß man, was das heißt.“ Im Garten ihrer Eltern sei er nur aufgetaucht, um ihr zu sagen, dass sie ihn in Ruhe lassen soll.
Die Geschichte des Mannes, der 2015 aus Pakistan nach Deutschland kam, klang wenig überzeugend, zumal er bei den Polizeivernehmungen ganz andere Aussagen gemacht hatte. „Was glauben Sie eigentlich, wo wir hier sind?“, fragte Brost sichtlich genervt: „Wenn jemand so viele verschiedene Wahrheiten hat, dann neigt man als Richter dazu, sie im Bereich der Fabeln anzusiedeln.“
Das 17-jährige Opfer sagte vor Gericht, dass es von Anfang an jeden Annäherungsversuch abgeblockt hat. Angefangen habe alles vor über einem Jahr, als der Angeklagte sie an einer Bushaltestelle angesprochen hatte und ihr sagte, dass er sie liebt. Danach habe er ihr immer wieder aufgelauert. Und sie sei nicht das einzige Opfer: „Ich habe mittlerweile Kontakt zu einem Mädchen, das in einer ganz ähnlichen Situation ist. Auch sie wird von ihm verfolgt“, so die Schülerin. Auf die Frage des Richters, wie es ihr jetzt gehe, antwortete die Schülerin: „Ängstlich, wütend und gedemütigt.“
Die Staatsanwältin sprach von einem „ganz typischen Stalker-Fall, in dem der Angeklagte die Realität völlig verdreht“. Wegen seiner einschlägigen Vorstrafe und dem sehr schnellen Rückfall in alte Muster forderte sie neun Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung.
Auch Richter Brost sah in dem Verhalten des Angeklagten das übliche Vorgehen eines Stalkers: „Sie sind jemand, der in jeder Bewegung seines Opfers die Aufforderung zum Weitermachen sieht.“ In seiner Urteilsbegründung sagte er, dass der Angeklagte „scheinbar nur die Sprache des Freiheitsentzugs versteht“. Er verurteilte den 32-Jährigen zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung. Matthäus Klemke