Weilheim · Lenningen · Umland
Starke Frauen braucht das Land

Pioniergeist Karin Pfisterer hat im Bürgerhaus Wellingen über drei Wegbereiterinnen referiert, deren Mut und Zielstrebigkeit die Landfrau beeindrucken. Von Katharina Daiss

Für Karin Pfisterer muss sich die Veranstaltung anfühlen wie ein Abend unter Freunden: Ausschließlich Landfrauen sind zum Vortrag der Ilshofener Landfrau ins Bügerhaus Wellingen gekommen. Drei historische Frauen hat sich Karin Pfisterer ausgesucht, die sie ihrem Publikum vorstellen möchte. Die Veranstaltung ist eine der letzten der Frauenkulturtage 2022. Die Landfrauen sind gespannt wie Flitzebögen, denn Karin Pfisterer hat bisher kein Wort darüber verloren, welche „eindrucksvollen Frauen“ sie ausgewählt hat. In dem kleinen Saal sind fast alle Plätze belegt. Die Stimmung ist fröhlich, die Zuhörerinnen kennen einander. Sie schwatzen vertraut, lachen und freuen sich über das Wiedersehen – bis Petra Lippkau, Vorsitzende der Landfrauen Notzingen-Wellingen, zur Ruhe mahnt und Karin Pfisterer mit ihrem Vortrag loslegt. 

Bildung hemmt Fruchtbarkeit?

Die erste Geschichte dreht sich um keine Geringere als die erste promovierte Ärztin Deutschlands, Dorothea Erxleben. Sie wuchs in einer Zeit auf, in der für Frauen keine Bildung vorgesehen war, da die Herren der Schöpfung der festen Überzeugung waren, dass diese „Überanspruchung“ des Gehirns die „Fortpflanzungstätigkeit“ einschränken würde. Dorothea Erxlebens Glück war, dass ihr Vater da anders dachte. Der Arzt lehrte nicht nur seine Söhne, sondern auch seine wissbegierige Tochter in Latein, führte sie in die medizinischen Grundlagen ein und nahm sie zu Hausbesuchen mit. Doch das Medizinstudium musste ihr Bruder Christian ohne seine Schwester antreten. In ihrer Verzweiflung fasste sie sich ein Herz und schrieb an den König. Der erlaubte ihr zwar das Studieren, doch die Fahnenflucht ihres Bruders begrub das in die Nähe gerückte Ziel. Sie arbeitete trotzdem als Ärztin, wurde jedoch von ausgebildeten Medizinern angeklagt und vor die Wahl gestellt: Entweder sie hängt den Arztkittel an den Nagel – oder sie beendet ihr Studium inklusive Promotion innerhalb von drei Monaten. Als der Stichtag kam, bestand sie die mündlichen Prüfungen in Physiologie, Pathologie und Pharmakologie mit Bravour und verteidigte ihre Dissertation erfolgreich. Fortan konnte die erste Frau Dr. med. es ihren männlichen Kollegen gleichtun und Menschen heilen und helfen. 

Die zweite Geschichte handelt von Amelia Earhart. In den 1930ern gelang der Amerikanerin der erste Alleinflug über den Atlantik und über den Pazifik. Möglich wurde das, weil die Flugpionierin das Flugzeug nach dem ersten Nonstop-Flug über den Atlantik eigenhändig zurück in die USA flog. Ein Novum, war sie als Frau doch nur als Passagierin vorgesehen. Zu der Aktion wurde sie von dem Verleger George Palmer Putnam überredet, den sie – nach dem fünften Antrag – heiratete. Gemeinsam mit ihrem Ehemann plante sie auch ihren letzten Flug: Die Erdumrundung am Äquator entlang. Die Reise war – Putnam sei Dank – in allen Zeitungen, und vielleicht hätten Amelia Earhart und ihr Navigator den Rekord rechtzeitig zum Unabhängigkeitstag beenden können. Doch ihren letzten Tankstopp auf der Howlandinsel zwischen Australien und Hawaii erreichte sie nie. Seitdem gilt die Rekord-Pilotin als verschollen. 

Mit ihrer letzten „Eindrucksvollen Frau“ führt Karin Pfisterer ihr Publikum nach Frankreich. „Ich stelle euch die erste Großunternehmerin Europas vor“, sagt sie. Doch was hat die Dame nur hergestellt? Pfisterer gibt einen Tipp: „Sie war bekannt als Witwe Clicquot-Ponsardin, auf französisch ‘Veuve Clicquot-Ponsardin’“. Bei den Champagnerliebhaberinnen fällt der Groschen. Barbe-Nicole Ponsardin war die Witwe des Weinhändlers Francois Clicquot, die nicht nur sein Geschäft übernahm, sondern es zu dem weltberühmten Champagner-Imperium erblühen ließ, das es bis heute ist. So gelang es ihr, den luxuriösen Schaumwein im napoleonischen Krieg in die ganze Welt zu exportieren. Außerdem fand sie sich nicht damit ab, dass sich der feine Champagner durch die Hefe trübte. Mit ihrem Kellermeister tüftelte sie das Rüttelverfahren, die Remuage, aus, das bis heute dafür sorgt, dass der Champagner nicht eintrübt. „Bei Kessler machen sie das bis heute noch von Hand“, konnten die Landfrauen sofort von einem ihrer letzten Ausflüge in die Kellerei des Esslinger Sektherstellers berichten. An ihre Tochter hat die Witwe Clicquot ihr Vermächtnis übrigens nicht weitergegeben. Denn dieser, so stellte sie fest, habe sie ihren Scharfsinn leider nicht vererbt.