Trägerverein Freies Kinderhaus kämpft mit Defizit und hofft auf Zuschuss der Stadt Nürtingen
„Stehen mit dem Rücken zur Wand“

Über der Alten Seegrasspinnerei an der Plochinger Straße ziehen dunkle Wolken auf. Die Finanzierung des Gesamtprojekts, das am kommenden Sonntag mit einigen Einrichtungen an einem Tag der offenen Tür Jubiläum feiert, ist mehr als infrage gestellt. Vom Nürtinger Gemeinderat erhofft man sich Unterstützung, doch herrsche aus dieser Richtung Funkstille.

Nürtingen. „Unter dem Dach des Trägervereins Freies Kinderhaus haben wir auf dem Gelände zehn Abteilungen, die wesentlich zum sozialen und kulturellen Leben in der Stadt beitragen“, so der Erste Vorsitzende Klaus Nägele. Er beziffert das drohende jährliche Defizit auf 65 000 Euro, „rund fünf Prozent unseres jährlichen Gesamtumsatzes“. Eigentlich brauche man rund 100 000 Euro jährlich mehr, um Rücklagen für Ausfälle in Betreuungseinrichtungen, für Reparaturen und Ersatzbeschaffungen anzusammeln.

Pit Lohse und Julia Rieger von der Geschäftsführung des Vereins erläuterten gestern weitere Zahlen. Die Deutsche Post, die das Gelände in Erbbaupachtrecht zum Teil noch nutzt, fungiert als Untervermieter. Während des Umbaus des größten Gebäudes, der Alten Fabrikation entlang der Plochinger Straße zwischen 2006 und 2012, sei die Pacht erlassen worden, zum Teil habe man aber schon Mieteinnahmen gehabt. Damit und mit Geldern aus verschiedenen Fördertöpfen habe der Betrieb aufrecht erhalten werden können, so Lohse.

Seit 2013 fallen jedoch die Pachtkosten an, was in etwa die Höhe des jährlichen Defizits ausmacht. Die Pacht habe man zwar durch weitere Mieter, die auf dem Gelände soziale, kulturelle und ökologische Projekte anbieten, auffangen können. Die laufenden Ausgaben mit Betriebs-, Unterhaltungs- und Verwaltungskosten seien in den letzten drei Jahren aber ebenfalls gestiegen. „Vieles konnte durch Ehrenamt, Lohnverzicht, Spenden und Rücklagen aufgefangen werden, doch all das hat seine Grenze“, so Lohse. Und die sei nun erreicht.

Man zahle für die 40 Mitarbeiter, die sich auf rund 20 Personalstellen verteilen, nun Tariflöhne, außerdem seien Betriebskosten in den letzten fünf Jahren durch allgemeine Preissteigerungen gestiegen. Auf der anderen Seite gebe es weniger Zuschüsse aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und der Arbeitsagentur, aus denen vor allem die Jugendwerkstatt mit ihren Angeboten zur Förderung von Jugendlichen finanziert wird, so Julia Rieger. „Auch Gelder der Aktion Mensch, die in den letzten drei Jahren flossen, stehen wohl bald nicht mehr dafür zur Verfügung“, so Rieger.

Von der Stadt bekomme man für den offenen Betrieb der Kinder-Kultur-Werkstatt einen Zuschuss von jährlich 43 000 Euro, doch auch dieser sei seit zehn Jahren nicht mehr angehoben worden, sagt Rieger. Lohse rechnet dazu vor: „Berücksichtigt man die Kostensteigerungen, müsste dieser Zuschuss heute rund 25 000 Euro höher liegen.“

Laut Nägele habe man sich bereits im vergangenen Jahr an die Stadt gewandt, Gespräche mit Oberbürgermeister Otmar Heirich, Bürgermeisterin Claudia Grau und mit Annette Bürkner, der Leiterin des städtischen Amtes für Bildung, Soziales und Familie, geführt und sei danach auch mit allen Fraktionen des Gemeinderats in Kontakt getreten.

„Wir haben alle unsere Angebote und alle Zahlen zu den Finanzen vorgelegt“, so Nägele, der jedoch vergeblich auf eine Rückmeldung wartet. Der Hinweis, die Stadt wolle das neue Konzept des Landkreises zur Kinder- und Jugendhilfe abwarten, nütze dem Trägerverein in seiner jetzigen Situation nichts. „Stadt und Gemeinderat sollten sich entscheiden, was ihnen ein sozio-kulturelles Zentrum wie das unsere wert ist, bevor es unwiederbringlich verloren geht, denn wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, macht Nägele auf die dramatische Situation aufmerksam. Er erwartet, dass ihr Anliegen jetzt schnell auf die Tagesordnung des Gemeinderats gesetzt wird.

Wer sich von dem vielfältigen Angebot des Vereins ein Bild machen möchte, kann dies am Sonntag, 13. März, beim Tag der offenen Tür von 11 bis 17 Uhr tun. Die Kinder-Kultur-Werkstatt feiert ihr 25-jähriges Bestehen, weitere Einrichtungen wie die Kulturkantine (seit 15 Jahren) die Jugendwerkstatt (seit zehn Jahren) und verschiedene Kinderbetreuungseinrichtungen können auf langjähriges Wirken verweisen. „180 Jahre Engagement für Nürtingen“ hat Julia Rieger zusammengerechnet.