Zwischen Neckar und Alb
Stelle gegen Diskriminierung braucht Geld

Soziales Trotz zunehmender Fallzahlen bangt die Beratungs- und Anlaufstelle in Esslingen um ihre Zukunft. Kirchheim hat bereits Fördermittel zugesagt. Von Claudia Bitzer

Ein Kind wird in der Schule wegen seiner Hautfarbe gemobbt, aber die Lehrerin reagiert nicht. Eine junge Frau will eingestellt werden, aber der Arbeitgeber will keine Kopftuchträgerin. Ein Mann mit einer Behinderung wird von einem Seminar ausgeschlossen. Für all diese Betroffenen ist die Antidiskriminierungsstelle Esslingen (ADES) mit Koordinatorin Alexa Conradi und ihrem ehrenamtlichen Team eine wichtige Anlauf- und Beratungsstelle. Obwohl immer mehr Menschen zu ihnen kommen, „ist unsere Zukunft nicht gesichert“, sagt ­Conradi. 2018 hat die Fachstelle erstmals einen Zuschuss vom Sozialministerium bekommen: 30 000 Euro pro Jahr über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg. Dazu kamen 10 000 Euro von der Türkischen ­Gemeinde Baden-Württemberg. Doch die Anschubfinanzierung läuft zum Jahresende aus.

Das Ministerium erkennt zwar den steigenden ­Beratungsbedarf an und ist deshalb bereit, die ADES auch in den kommenden drei Jahren zu unterstützen - mit bis zu 40 000 Euro im Jahr. Aber nur, wenn die Kommunen im Landkreis Esslingen sowie der Landkreis selbst ­zusammengerechnet den gleichen Betrag einbringen. Kirchheim und Ostfildern haben eine finanzielle Förderung für 2021 bereits zugesagt. Laut ­Conradi ­haben auch Esslingen und Filderstadt eine Mitfinanzierung in Aussicht gestellt. Konkret würden derzeit noch 27 000 Euro fehlen. „Die ADES hat beim Landrat um eine Förderung von 22 000 Euro gebeten“, berichtet Conradi. Die Grünen und Die Linke hätten einen Antrag gestellt, der im Sozialausschuss des Kreistags am 26. November beraten werden soll.

Die ADES bietet Beratung für Betroffene sowie Veranstaltungen, Fortbildungen und Vernetzungen zum Thema Diskriminierung an. Sie wurde 2014 in Esslingen gegründet, die heutigen Sozialpäda­goginnen Saime Ekin-Atik und Gülden Aygün-Sagdic studierten damals an der Esslinger Hochschule. Sie wollten mit weiteren Mitstreitern Menschen mit Diskriminierungs- und Rassismuserfahrung einen geschützten Raum bieten. „Wir wollten Bewusstsein für das Thema schaffen und Betroffene unterstützten, sich dagegen zu wehren“, sagt Ekin-Atik.

Neben Conradi, die mit der regelmäßigen Finanzierung dann als hauptamtliche ­Koordinatorin mit einem 45-Prozent-Deputat eingestellt werden konnte, machen das derzeit drei ehrenamtliche Mitarbeiter, die entsprechende Schulungen absolviert haben. „Wir würden gerne alle Beratungen hauptamtlich anbieten“, sagt ­Conradi. „Denn wir arbeiten an Einzelfällen, brauchen in der Regel mehrere Sitzungen über einen längeren Zeitraum hinweg“, ergänzt ­Patrizia Santomauro. Und die Anfragen haben zugelegt: Waren es 2018 - dem ersten Jahr der Förderung - noch 13 Fälle und im Jahr darauf 24, so sind es im laufenden Jahr bereits 64 Betroffene, die den Rat der ADES gesucht ­haben.

Die Fachstelle bietet eine juris­tisch geprägte Beratung an, ist aber keine Rechtsberatung. Meist geht es darum, den Gang vors Gericht zu vermeiden, etwa durch einen Brief, der an den Arbeitgeber geschrieben wird. Oder wie man die Klassenlehrerin, mit der das Kind noch jahrelang zu tun hat, auf seine Seite zieht.

Auch die Kommunen im Kreis müssten sich fragen, ob sie noch mehr tun können, um Rassismus und Diskriminierung entgegenzuwirken. Eine Antwort könnte es sein, am Donnerstag bei der Sitzung des Sozialausschusses die Hand für einen ADES-Zuschuss zu heben. Conradi: „Wir brauchen alle Fraktionen.“