Gewerbegebiet
Streit um Pferdehalle in Reudern

Im Breitäcker II möchte ein Anlieger eine Lagerhalle umnutzen, um darin Pferde zu trainieren. Das ist nicht zulässig, sagt die Stadtverwaltung. Besonders brisant: Der Besitzer der Halle ist ein Stadtrat.

Die Lagerhalle soll zu einer Beritthalle umgebaut werden.  Foto: Ralf Just

Das Gebiet „Breitäcker II“ war die letzte Fläche in Reudern, die für Gewerbe noch ausgewiesen werden konnte. Umso begehrter waren die Bauplätze, die 2019 ausgeschrieben wurden. 20 Bewerbungen waren bei der Stadtverwaltung eingegangen; alle Interessenten hatten zusammen einen Flächenbedarf von über 31.000 Quadratmetern angemeldet – zum Verkauf standen lediglich 10.800 Quadratmeter.

 

Keiner der berücksichtigten Interessenten hatte die Absicht geäußert, eine Reithalle zu errichten.

Christian Franz, Wirtschaftsförderer der Stadt Nürtingen


Hinter verschlossener Tür wurde im Ortschaftsrat und im Verwaltungsausschuss entschieden, wer bauen darf und wer nicht. Sieben Bewerber bekamen einen Zuschlag, darunter auch ein Nürtinger Stadtrat, der eine Lagerhalle für die Unterbringung von Fahrzeugen und Kleingeräten gleich neben seinem Gartenbauunternehmen bauen wollte. Schon damals hatte es unter den nicht berücksichtigten Bewerbern Gerüchte gegeben, dass bei der Vergabe in den nicht öffentlichen Sitzungen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Verwaltung beteuerte, dass man die Entscheidung mit einem Punktesystem traf. Gute Chancen hatte, wer aus Reudern kam, viele Arbeitsplätze mitbrachte und nicht allzu viel Lieferverkehr in den Ort brachte. Außerdem sollten vor allem Handwerks- und Produktionsbetriebe zum Zuge kommen.

Wurde die Stadt ausgetrickst?

Mit seinem seit 1994 in Reudern ansässigen Unternehmen konnte der Stadtrat viele Punkte sammeln. „Unter den damaligen Umständen war es die absolut richtige Entscheidung, ihm den Zuschlag zu geben“, sagt Nürtingens Wirtschaftsförderer Christian Franz. Doch heute sehe die Sache anders aus. Denn aus der Lagerhalle mit einer Nutzfläche von 613,30 Quadratmetern soll plötzlich eine Beritthalle werden – also eine Stätte, in der Pferde professionell ausgebildet werden. Anfang 2023 ging ein entsprechender Antrag bei der Stadt ein. Der wurde umgehend abgelehnt: „In der Ausschreibung wurde betont, dass sich das Gewerbegebiet speziell an mittelständische Handwerks- und Produktionsbetriebe richtet“, so Wirtschaftsförderer Franz. Von Anfang an sei klar gewesen, dass Anlagen zu sportlichen Zwecken nicht zulässig sind. „Bei den damals eingegangenen Bewerbungen hat keiner der Interessenten, die bei der Vergabe berücksichtigt wurden, die Absicht geäußert, eine Reithalle zu errichten“, teilt die Stadtverwaltung mit: „Dies wäre einer Vergabe nicht zuträglich gewesen, da Anlagen für sportliche Zwecke im Bebauungsplan ausgeschlossen sind.“

Hätte man gewusst, welchen Plan der Bewerber verfolgt, hätte man bei der Vergabe wohl anders entschieden, so Franz: „Der Bewerber hätte sicherlich trotzdem eine hohe Punktzahl bekommen, aber die Größe des Grundstücks wäre vielleicht kleiner ausgefallen oder es wäre noch ein anderer Bewerber berücksichtigt worden.“

Im Amt für Liegenschaften zeigt man sich verwundert darüber, dass in einem Gartenbaubetrieb plötzlich Pferde ausgebildet werden sollen. An eine kurzfristige Umorientierung des Unternehmens glaubt man nicht so richtig. Denn nur knapp zwei Monate nachdem der Stadtrat den Zuschlag für den Bauplatz erhalten hatte, erweiterte sich das Portfolio seines Unternehmens. Laut Handelsregister gehören seit Juni 2019 neben Grünflächenpflege, Verkehrsflächenpflege, Baumpflege und Grab­arbeiten auch „Zucht, Haltung, Service und Beritt von Pferden“ zu den Geschäftsfeldern des Gartenbaubetriebs. Die Änderung im Handelsregister entging der Stadtverwaltung, im August 2019 wurde der Kaufvertrag für den Bauplatz unterzeichnet. Im November 2020 erteilte die Stadt die Baugenehmigung für eine Lagerhalle, ein Jahr später stand der Rohbau.

Der Stadtrat besteht weiterhin auf seine Beritthalle und hat gegen das Nein der Stadt Widerspruch eingelegt. Zur Überprüfung habe man laut Stadt den Widerspruch ans Regierungspräsidium in Stuttgart (RPS) weitergeleitet. Das Argument des Stadtrats laut RPS: Bei einer Beritthalle handele es sich nicht um eine Sportstätte, sondern um einen Betrieb gewerblicher Art, der im Bebauungsplangebiet zulässig sei. Das sieht die Stadt weiterhin anders. Auf Anfrage bestätigt das RPS, dass der Fall aktuell geprüft werde. Der betroffene Bauherr und Stadtrat wollte sich nicht zu dem Sachverhalt äußern.