Etwa 1 100 Flüchtlinge aus Gambia leben im Landkreis Esslingen, so viele wie in keinem anderen baden-württembergischen Kreis. Sie haben kaum eine Chance, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu bekommen. Wenn erst mal der abgelehnte Asylbescheid vorliegt, wird ihnen auch die Arbeitserlaubnis entzogen. Daher sitzen viele nun tatenlos in den Unterkünften herum und machen an mehreren Standorten - Esslinger Weststadt, Harthausen, und Nürtingen - zunehmend Probleme. Nach Harthausen etwa rückt die Polizei stets mit drei Streifenwagen aus, auch Mitarbeiter des Landkreises trauen sich nicht mehr allein hinein. Landrat Heinz Eininger hat den Innenminister um Unterstützung gebeten.
Auf der anderen Seite versucht der Landkreis, den Flüchtlingen aus Westafrika die freiwillige Rückkehr schmackhaft zu machen. In der Fortbildungsstätte GARP Plochingen werden ihnen in einer „Zukunftswerkstatt“ einige grundlegende Kenntnisse in der Metall- und Holzbearbeitung vermittelt. Vor allem geht es aber darum, dass die jungen Männer über die Rückkehr nachdenken. Doch diesen Gedanken schieben die meisten weit von sich. Sie träumen immer noch davon, hier arbeiten und leben zu können und ihren Familien Geld zu schicken.
In den Unterkünften des Landkreises herrschte längere Zeit relative Ruhe. Doch nun hat sich die Zusammensetzung in den Unterkünften geändert. Flüchtlinge mit begrenztem Aufenthaltsrecht, etwa aus Syrien, wechselten in die Anschlussunterbringung bei den Kommunen. In der sogenannten vorläufigen Unterbringung konzentrieren sich jene jungen Männer ohne Bleibeperspektive. Ihr Anteil macht laut Landrat Heinz Eininger etwa 75 Prozent aus. Und das Land weise dem Kreis zunehmend Flüchtlinge aus Gambia und Nigeria zu. Andererseits haben Land und Bund noch keine Kostenregelung für geduldete Flüchtlinge beschlossen, das stört den Landrat gewaltig. Jetzt kommen noch „Ruhestörungen und Kriminalität“ dazu, wie er in einem Brief an den Filderstädter Kreisrat Walter Bauer schreibt. Bauer hat sich an Eininger gewandt, weil sich die Harthäuser Bürger seit Mitte Februar über das Verhalten der Flüchtlinge ärgern und sich zum Teil auch bedroht fühlen. Vorher sei das Zusammenleben problemlos gelaufen, meint Bauer. Doch die neuen Bewohner grüßten nicht, sondern würden Bürger unangenehm ansprechen, sie stülpten sich ihre Kapuzen über den Kopf, sie lärmten, manche dealten und angeblich wurden schon Mädchen im Bus betatscht. „Es ist ein Gefühl der Bedrohung entstanden“, sagt der SPD-Mann, den man nicht als fremdenfeindlich kennt.
Immerhin hätten der Landrat und OB Christoph Traub schnell reagiert, sagt Bauer. Ein Securitydienst wurde eingerichtet, der von 18 Uhr bis 4 Uhr morgens in der Unterkunft aufpasst. Und die Polizei habe ihre Präsenz verstärkt.
„Draufdrücken, damit das Holz nicht so vibriert.“ Ralf Schimpf, Ausbilder bei der GARP, zeigt dem jungen Mann aus Gambia, wie er mit der Dekupiersäge geschickter arbeiten kann. 15 Flüchtlinge nehmen seit Januar an der „Zukunftswerkstatt“ teil. „Handwerklich ist nicht viel da“, meint Schimpf, aber die Stimmung sei positiv, die jungen Männer wollten abends gar nicht aufhören.
Herumsitzen macht krank
Zwei Tage in der Woche lernen die afrikanischen Flüchtlinge handwerkliche Fertigkeiten, lernen, Ordnung am Arbeitsplatz zu halten und auf Sicherheit zu achten. Der Kurs gebe ihnen außerdem eine Tagesstruktur, meint Regina Liebe-Tumbrink, die im Landratsamt für den Bereich Migration und Integration zuständig ist. Das Herumsitzen und Warten hingegen mache sie psychisch krank. Viele nähmen deshalb Psychopharmaka. Eine andere Gruppe hat in einem zweiten Kurs schon einige Tage Erfahrungen im Hotelgewerbe gesammelt. In Gambia gebe es einige Hotels am Strand, sagt Liebe-Tumbrink. Ihre Kollegin Sabine Pereira arbeitet seit einigen Monaten als Rückkehrberaterin im Landratsamt. Für ein Dutzend Flüchtlinge hat sie schon Starthilfen organisiert, Geld für den Kauf eines Taxis, einer Nähmaschine oder einer Kuh locker gemacht. Derzeit kann Beraterin Pereira den Gambiern 200 Euro Reisebeitrag und 500 Euro Starthilfe anbieten, wenn sie freiwillig zurückkehren. Überdies waren kürzlich ehrenamtliche Flüchtlingshelfer aus dem Kreis Esslingen in Gambia, um zu schauen, ob die Rückkehrer dort beim Bau von Brunnen, Solar- und Biogasanlagen eingesetzt werden könnten.
Doch die Flüchtlinge in der GARP-Werkstatt planen keine Rückkehr. „Jetzt bin ich in Deutschland und möchte hier arbeiten“, sagt der 21-jährige K. Und D. fragt: „Wie kann ich hier einen Beruf lernen?“ Liebe-Tumbrink schaut ein wenig ratlos: „Sie verstehen unser Asylrecht nicht, sie verstehen nicht, warum sie hier nicht arbeiten dürfen.“ Sie hofft, dass der praktische Kurs den Kopf für neue Gedanken öffnet.
Die Männer aus Gambia und Nigeria stecken in der Klemme. Ist ihr Asylantrag abgelehnt, könnten sie sich bei ihrem Konsulat um einen Ausweis und ein Arbeits-Visum bemühen. Aber sobald sie einen Pass haben, laufen sie Gefahr, abgeschoben zu werden. Fehlende Papiere sind für die deutsche Bürokratie ein Abschiebehindernis bei geduldeten Personen. Manche Flüchtlinge, die grundsätzlich ausreisepflichtig sind, tauchen ab oder reisen nach Italien.