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Strom für Mieter bald vom Dach?

Energie Mieterstrom ist das neue Schlagwort, wenn es um die Stromversorgung geht. Doch was ist damit gemeint und wie funktioniert es? Von Sylvia Gierlichs

Das Konzept des Mieterstroms wird schon seit einigen Jahren angeboten“, sagt Dr. Magnus Schulz-Mönninghoff von der Klimaschutzagentur des Landkreises Esslingen. Es ermögliche Mietern, direkt von günstigem und sauberem Solarstrom oder anderen erneuerbaren Energiequellen in ihrem Wohngebäude zu profitieren. Solche Konzepte seien wichtig für die Energiewende, da viele Menschen in Deutschland in Mietwohnungen leben.

Man benötigt dafür eine Solaranlage auf dem Dach. Der damit erzeugte Strom wird dann über einen separaten Stromzähler erfasst und entsprechend dem Verbrauch der einzelnen Mieter aufgeteilt und direkt an sie geliefert. Die Mieter erhalten am Ende eine detaillierte Rechnung über ihren individuellen Stromverbrauch und die Kosten.

Win-win-Situation

Mieter sollten also durchaus auf ihren Vermieter zugehen, um so eine Option der Stromerzeugung vorzuschlagen. „Am Ende kann es eine Win-win-Situation für beide Seiten sein: Für Mieter bringt der Mieterstrom nicht nur eine Kos­tenersparnis auf der Stromrechnung, sondern sie können dadurch auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagt Schulz-Mönninghoff. Gleichzeitig könnten Mieterstrommodelle auch für Vermieter attraktiv sein. Werde überschüssiger Strom eingespeist, könne dies zusätzliche Einnahmen generieren. Ideal sei es, wenn Mieter dem Vermieter die finanziellen Einsparungen bereits aufzeigen könnten. Hierbei könne die Klimaschutzagentur unterstützen.

Kniffeliger wird es, wenn man in einem Mehrfamilienhaus wohnt, in dem es nicht nur einen Vermieter oder Eigentümer gibt. Denn eine PV-Anlage aufs Dach zu montieren, sei eine bauliche Maßnahme, für die in einem solchen Haus ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft notwendig sei. „Hier ist also auch Überzeugungsarbeit gefragt“, sagt Schulz-Mönninghoff. Die Energieagentur Regio Freiburg biete jedoch kostenlose Beschlussvorlagen für Wohnungseigentümergemeinschaften zum Thema PV im Mehrfamilienhaus an.

Weiterer Vorteil von Mieterstrom sind laut Schulz-Mönninghoff auch die Förderungen. „Neben den festen Einspeisevergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gibt es in Deutschland den sogenannten Mieterstromzuschlag. Diesen erhält der Vermieter.“ Der Zuschlag werde auf den vom Mieter gezahlten Strompreis addiert und ermögliche es somit dem Vermieter, den Strom zu einem attraktiven Preis anzubieten. Dieser dürfe dann höchstens 90 Prozent des Grundversorgungstarifes betragen. Für die Förderung müssten allerdings einige Bedingungen erfüllt sein. Außerdem gebe es für den Kauf der PV-Anlagen günstige KfW-Kredite.

Wer in einem Mehrparteienhaus nicht mitmachen möchte, muss auch nicht mitmachen – alles ist freiwillig. Man bleibt dann einfach beim seitherigen Strom­anbieter, ohne dass Mehrkos­ten entstehen. Und wer einmal Ja zum Mieterstrom gesagt hat, muss auch nicht für immer dabei bleiben. „Aus Sicht des Anlagenbetreibers ist das Mieterstrommodell allerdings wirtschaftlich sinnvoller, wenn möglichst viele Mieter daran teilnehmen“, räumt der Experte der Klimaschutzagentur ein. Wichtig zu wissen: Der Mieterstrom darf nicht pauschal Bestandteil des Mietvertrags sein.

Was sich für den Mieter einfach anhört, kann für den Vermieter allerdings kompliziert werden. Denn er wird mit der Mieterstrom-Anlage zum Energieversorger. Und das bringe auch diverse rechtliche Pflichten mit sich. Organisation, Messung des Stromverbrauchs, Rechnungserstellung und die Abwicklung der Zahlungen stellen einen gewissen Aufwand dar, das gibt Schulz-Mönninghoff zu. Der Mieterstromzuschlag solle hier einen Gegenanreiz bieten.

Dass irgendwann der auf dem Dach erzeugte Strom nicht aus­reicht und plötzlich kein Strom mehr aus der Steckdose kommt, müssten Mieter laut dem Experten nicht befürchten. Ein Teil des Stroms komme vom Dach, alles was zusätzlich benötigt wird, liefere ein Stromversorger. Der Vermieter müsse die Vollversorgung sicherstellen. „Dem Mieter wird also nie der Strom ausgehen“, sagt der Experte.

 

Genossenschaften sind aufgeschlossen für Mieterstrom

Sowohl die Siedlungsbau Neckar-Fils als auch die Kreisbau bekennen sich zu günstig produziertem Strom. Mieterstrom ist für den Vorstandsvorsitzenden der Siedlungsbau Neckar-Fils gar nicht neu. „Wir statten seit 20 Jahren fast alle Dächer unserer Objekte mit Photovoltaik-Anlagen aus“, sagte er. Damals schon war es so, dass die Beteiligung an Dächern mit PV-Modulen ausgeschrieben waren, jeder konnte Anteile erwerben, vorrangig jedoch die Mieter der Gebäude. „Das Interesse hielt sich stark in Grenzen“, erinnert sich Krämer. Anteile gekauft haben schließlich Personen, die man damals als Idealisten bezeichnete. Doch wenn es darum geht, PV-Module auf die Dächer der Siedlungsbau-Immobilien zu packen, dann ist Krämer sofort dabei. Aktuell stattet die Wohnbaugenossenschaft die nahezu letzten Dächer von Mehrfamilienhäusern in ihrem Bestand mit Solarpaneelen aus und nimmt für vier Dächer 200 000 Euro in die Hand. „Es sollte eigentlich kein Dach ohne PV-Anlage geben“, sagt Krämer. Sein Vorstandskollege Carsten Martini gibt ihm recht: „Eine PV-Anlage gehört zu einem Haus wie die Heizung.“ Schaut er sich landauf, landab um, entdeckt er jedoch etliche Dächer ohne Solaranlagen. Nicht nur bei Einfamilienhäusern, auch auf öffentlichen Gebäuden.

Dabei sollte der öffentliche Sektor eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen, denn sie haben nach wie vor eine Vorbildfunktion zu erfüllen, auch bei der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen. Doch im Entwurf des neuen Gebäudeenergie-Gesetzes (GEG) sind Städte und Gemeinden von der PV-Pflicht ausgenommen. „Solange die öffentliche Hand eine PV-Anlage nicht als eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition betrachtet, bleibe ich skeptisch, dass sich hier zeitnah viel tun wird“, so Martini weiter.

Krämer sagt voraus, dass die Strompreise steigen werden. „Da sind die PV-Anlagen auf unseren Dächern Gold wert. Und wir könnten den kostenlos produzierten Strom an die Mieter weitergeben, wenn es nicht die zahlreichen unnötigen und viel zu komplizierten staatlichen Regularien geben würde“, sagt er im Hinblick auf die stark reglementierten Mieterstrom-Modelle.

Getreu dem Motto „Keep it simple“ prüft die Siedlungsbau daher ganz aktuell, für zukünftige Neubauten mit Wärmepumpentechnologie, PV-Modulen und Fußbodenheizung in den Wohnungen die Kos­ten für Heizung, Heizstrom, Allgemeinstrom und Aufzug nicht mehr separat mit ihren Mietern abzurechnen, sondern als Pauschale in die Kaltmiete einzupreisen, um eine kalkulierbare Miete zu gewährleisten. Denn betriebswirtschaftlich besser kalkulierbarer wird dies erst unter anderem durch den Einsatz des dezentral produzierten – und sogar kostenlosen – Stroms aus regenerativen Energiequellen. Und damit kommt von der Siedlungsbau ein klares Bekenntnis zum Mieterstrom.

Das ständige Hin und Her der Politik geht nicht nur Fritz Krämer und Carsten Martini auf die Nerven, auch Bernd Weiler von der Kreisbaugenossenschaft Kirchheim-Plochingen ärgert sich darüber und wünscht sich, Politiker würden sich ein klein wenig mehr mit der Praxis beschäftigen. „Die Branche, aber auch die Bürger werden gar nicht richtig mitgenommen“, sagt er. Bis 2035 alle Gasheizungen auszutauschen, ohne dass es dafür Fördergelder gibt? „Wie soll ich das finanzieren? Die Mieter haben keine so gro­ßen Einkommen, um eine Mieterhöhung zu schultern, die das refinanziert“, sagt er. Bestandsimmobilien auf KfW-55-Standard zu trimmen, sei eine große Herausforderung. „Was passiert, wenn wir das bis 2040 nicht schaffen? Was passiert dann mit den Personen, die in solchen Häusern leben?“, fragt er in Richtung Politik. Und wünscht sich mehr Verlässlichkeit. Bei Fördermitteln beispielsweise. Sie dürften nicht von einem Tag zum anderen einfach wegfallen.

Doch wie steht die Kreisbau zum Mieterstrom? Hier kommt von Bernd Weiler ein Jein. Mieter sollen von günstig erzeugtem Strom profitieren. Doch als Energielieferant will die Kreisbau nicht auftreten. Zu aufwendig sei das für das Unternehmen. „Wir würden eine Kooperation mit einem Energieunternehmen eingehen, das die Abwicklung für uns übernimmt“, sagt Weiler.

Bei der Kreisbau wird durchaus intensiv darüber nachgedacht, wie man sich für die Zukunft aufstellt und die Immobilien für moderne Energieerzeugung fit macht. „Wir prüfen unsere Bestände, um einen Fahrplan für unsere 1700 Wohnungen zu erstellen“, sagt Weiler. Was Heizungen angeht, ist der Altbestand überwiegend mit Gasheizungen ausgestattet. Luft-Wärme-Pumpen für Mehrfamilienhäuser? Da winkt Bernd Weiler ab. Etliche der Bestandsimmobilien stammen noch aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Nicht alle sind gedämmt. Die notwendige Fußbodenheizung gibt es nicht. Sie nachträglich einzubauen, lohne sich nicht und könne auch nicht in bewohnten Immobilien erledigt werden. sg