Ein Knall schreckte am Morgen von Christi Himmelfahrt die Anwohner am Ende der Adlerstraße auf. Wie sich später herausstellte, war vor einem Geschäft für türkische Backwaren ein Benzinkanister entzündet worden – wohl mit Absicht. Die Betreiber stehen nun vor einem Scherbenhaufen. Dennoch findet Murat Akalin vor allem positive Worte, besonders über seine Nachbarn.
Denn die griffen beherzt ein, als die Fassade an dem Gebäude auf der Rückseite der Kirchheimer Straße zu brennen begann. Als die alarmierte Feuerwehr eintraf, war alles bereits gelöscht. „Es ist toll, wie die Menschen reagiert haben“, sagt Akalin. Auch in den Tagen nach dem Brand sei ihnen von allen Seiten Unterstützung versichert worden. „Sie haben gesagt: Lasst euch nicht unterkriegen, bleibt bei uns.“
Polizei vermutet Brandstiftung
Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Wie sie bereits am vergangenen Donnerstag berichtet hatte, war der vor dem Schaufenster des Gebäudes abgestellte und mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllte Kraftstoffkanister in Brand gesetzt beziehungsweise zur Explosion gebracht worden. Zeugen hatten angegeben, dass sie eine mit einem Kapuzenpullover bekleidete Person nach dem Brand beobachtet hatten, die in Richtung Adlerstraße geflüchtet sei.
Die Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg, ein säkularer Verein, forderte unter Verweis auf die Patzer der Behörden bei den NSU-Ermittlungen auf sozialen Medien umfassende Ermittlungen ohne Vorbehalte. Zu den Hintergründen, und ob das Motiv womöglich Fremdenfeindlichkeit sei, konnte die Polizei aber auch am Montag noch keine Aussagen treffen. „Unsere Ermittlungen laufen in alle Richtungen“, versicherte Martin Raff von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Reutlingen. Es werde auch kein Hintergrund ausgeschlossen. Noch immer bittet die Polizei um Zeugenhinweise.
Motiv und Täter unbekannt
Auch Murat Akalin hat eigenen Aussagen nach keinerlei Anhaltspunkte, worum es dem Täter gehen könnte. Schon seit 2013 betreibt seine Familie das Bäckerei-Café, das vor allem für sein Frühstücksangebot bekannt ist. Davor bestand schon der Catering-Service der Akalins an gleicher Stelle. Es habe nie Probleme mit Vandalismus gegeben, nur einen Einbruch, der Täter sei aber an anderer Stelle in flagranti geschnappt worden, ein Serieneinbrecher.
Er sei froh, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen sei, sagt Akalin. „Alles andere ist reparabel.“ Er habe keine Angstzustände, sagt der 56-Jährige mit Verweis auf den Zuspruch aus der Nachbarschaft. „Ich habe in meinem Leben gelernt, dass es mehr gute als böse Menschen gibt.“ Allerdings räumt er ein, dass es seiner Frau Selda (51) ein bisschen mulmig zumute sei, weil sie oft auch länger abends alleine im Geschäft sei. Deswegen denkt er an weitere Sicherheitsvorkehrungen wie Kameras oder Außenlampen mit Bewegungsmelder.
Großer Schaden durch Anschlag
Erst einmal wird es aber darum gehen, die Schäden zu beheben. Die Frontscheibe des Geschäftes ist zerborsten, die Decke und die Deckenlampen angesengt, das Mobiliar in Mitleidenschaft gezogen. Akalin geht davon aus, dass die Reparaturen mehr als 10.000 Euro, wie zunächst von der Polizei geschätzt, kosten werden. Glücklicherweise sei die Familie versichert. „Ich schätze, dass alles erst nach dem Sommer komplett wiederhergestellt sein wird.“
Mit Unterstützung von Familie, Freunden und Bekannten wollen die Akalins aber so schnell wie möglich wieder für ihre Kunden da sein. Von Gastronomiebetrieben in der Umgebung haben sie schon mehrere Angebote bekommen, interimsweise Flächen mit zu nutzen. Auch ein mobiler Verkaufswagen wurde den Akalins angeboten. Wann und wie es weitergeht, darüber wollen sie auf Social Media informieren.