Es ist kalt und still. Nur ein leises Wummern hallt durch die Nacht. Der Schneeregen prasselt ins Gesicht, der Kampf gegen ihn endet vor dem Club Bastion. Im Gewölbetunnel ist es wärmer. Das Wummern wird mit jedem Schritt tiefer in die Bastion hinein lauter, klarer und formt sich letztendlich zu harmonischen Klängen.
Zum 17. Mal fand der „Sturm auf die Bastion“ statt. Ein Konzertabend, der unter dem Motto „Jugend rockt“ steht und an dem Musikrichtungen vermischt werden dürfen. Auf der Bühne stehen dieses Mal die Kirchheimer Jungs „Edith Select“ und die Stuttgarter Band „Parole:Paula“ - beide sorgen für einem Tanzabend der besonderen Art.
Es ist zeitgleich eine Reise in die Vergangenheit und in die Zukunft, wenn man „Edith Select“ zuhört. Ihre Songs erinnern einerseits an „Funky Town“ der Band „Lips Inc“ aus den späten 1970er- Jahren, andererseits sind sie abgehoben und klingen außerirdisch. Musikalisch bewegen sich „Edith Select“ zwischen Synthie-Pop, Jazz, House und Trap. Ohne elektrische Synthesizer geht hier fast nichts: Die Musik steht im Vordergrund, Texte und Gesang rücken nach hinten.
Lieder wie „Eistee“, „Es ist okay“ oder „Tanz die ganze Nacht“ gehen raus in die große, weite Welt. So erklärt es Quintin, der am E-Keyboard sitzt und ab und an ins Mikrofon raunt. Sie widmen ihre Songs dem verstorbenen US-Rapper Tupac, deutschen Größen wie Herbert Grönemeyer oder ihrer zweitliebsten Tonart a-Moll.
Zwischen Textstellen wie „Du trittst jedem auf die Füße, wenn du glaubst jeden zu verstehen“ und „Ich trinke Eistee, du trinkst Whisky“ kommt ein wenig Verwirrung auf. „Wir sind Lachs und Lemke“, sagt Quintin und korrigiert sich selbst kurz drauf: „Heute sind wir aber Edith Select“. Klingt kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht. „Lachs & Lemke“ sind eine sechsköpfige Band aus Kirchheim. So nennen sie sich zumindest, wenn sie vollständig auf der Bühne stehen: Max Hahnemann, Viktor Hahnemann, Jonathan Weinmann, Lennart Adam, Quintin Copper und Pablo Lawall. Aus ihnen wird „Edith Select“, wenn mindestens eines der Mitglieder fehlt. Wie am Samstag in der Bastion. Weitere Bandnamen sind nicht ausgeschlossen, so sind sie zum Beispiel auch unter „Freunde des Alls“ bekannt.
„Nichts bleibt ein Leben lang“
Nicht ganz so verwirrend geht es bei „Parole:Paula“ zu. Die vierköpfige Band aus Stuttgart macht feine Gitarrenmusik: eine Mischung aus Punkrock, Pop-Punk, Nanana-Core. Auch bei ihnen steht der Spaß an erster Stelle, die Texte gehen jedoch tiefer. Einmal sind sie optimistisch-euphorisch, wie in dem Song „Land in Sicht“. Marcel Knuth, der Gitarre spielt und seine Stimme leiht, singt: „Heute ist wieder alles möglich, heute feiern wir einen neuen Tag“. Ein anderes Mal nachdenklich und sanft: „Nichts bleibt ein Leben lang, es gleitet aus deiner Hand“ - das Spielzeug aus der Kindheit geht kaputt, der Apfelsaft gärt, die Lieblingstasse zerbricht oder das Auto fährt nicht mehr.“
Eines haben ihre Songs jedoch gemeinsam: Sie sind tanzbar. Und das merkt man dem Publikum an. Es singt, lacht, tanzt und hat einfach nur Spaß. Vielleicht liegt es auch mitunter daran, dass die Mitglieder von „Parole:Paula“ schon einiges an Band-Erfahrung mitbringen. Marcel Knuth, Steffen Teichmann, Anton Hendel und Steffen Präger sind Überbleibsel der Bands „Parkhaus“, „Mom’s Day“, „Stereoton“ und „Kommando Kopfkarate“. Auf der Bühne ist ihnen anzumerken, dass sie wissen, was sie tun. Sie scherzen mit dem Publikum, das den Sänger unbedingt nackt sehen möchte oder erzählen, wer wie Gitarre spielen gelernt hat. „Mit den Cranberries hat wohl jeder gelernt zu spielen“, meint Marcel Knuth, „nur Anton nicht.“ Dieser entgegnet: „Ich habe zu Johann Sebastian Bach spielen gelernt.“
„Parole:Paula“ geben eigene Lieder zum Besten, auch wenn es davon noch nicht allzu viele gibt. „Wir sind noch eine recht junge Band, nur nicht was das Alter betrifft“, erzählt Marcel Knuth. Nach mehreren Zugabe-Rufen stimmen sie kurz „Ice Ice Baby“ von Vanilla Ice und „Talkin‘ bout a revolution“ von Tracy Chapman an und legen mit zwei Eigenkompositionen nach. Dann ist aber Schluss, schließlich braucht jeder Künstler einmal eine Pause.