Neidlingen. Bereits zu ihren Anfangszeiten 1965 hatte die Volkstanzgruppe einen erfreulich großen Zulauf. Und lediglich ein Jahr später beeindruckten zehn Paare in einheitlicher Kleidung aus Anlass der Fertigstellung der Renovierungsarbeiten an der Burgruine Reußenstein mit ihrem ersten öffentlichen Auftritt.
Und dennoch - im Laufe der Jahre musste die Volkstanzgruppe fortwährend ums Überleben kämpfen. Nicht immer war es möglich, die wegbleibenden Volkstänzer durch junge Neuzugänge auszugleichen.
Nachwuchsprobleme
Gesichert wurde der Erhalt durch die Kooperationen mit den benachbarten Volkstanzgruppen aus Weilheim und Hepsisau, die ähnliche Probleme mit Nachwuchs hatten. 1997 - anlässlich des 1 200-jährigen Neidlinger Dorfbestehens - erfüllte sich die Volkstanzgruppe mit ihrer Vorführung des „Webertanzes“ einen lang gehegten Wunsch. Mit diesem traditionellen Zunfttanz für acht Paare beeindruckten sie auch beim Jubiläumsabend der Ortsgruppe Neidlingen des Schwäbischen Albvereins das Publikum: Begrüßung, Burschenschlange, Mädchenkette, Doppelschlange und am Ende einen Walzer. Die zehnminütige Choreografie des Webertanzes verlangt den Protagonisten einiges an Können und Körperbeherrschung ab.
35 Tänze im Repertoire
Dietmar Brendel, Hans-Georg Sigel und seine Tochter Katharina Sigel versetzten das Publikum mit ihren Melodien in längst vergangene Epochen. Bei aller Freude am Tanz und den wichtigen Erhalt von Kulturgut, betont die Volkstanzbeauftragte Traude Sigel: „Wir sind natürlich keine Profis und wollen es auch nicht sein. Wir tanzen, weil es Freude bereitet und die Gemeinschaft fördert.“
Ungefähr 35 traditionelle Tänze aus Baden-Württemberg, Deutschland und ganz Europa gehören zum Repertoire der Volkstanzgruppe, welches regelmäßig durch neue Tänze erweitert und aufgefrischt wird. Neben dem 14-tägigen Probentreffen sowie den etwa vier bis fünf großen Auftritten im Jahr, kümmert sich die Gruppe unter anderem regelmäßig um die Landschaftspflege der Wachholderheiden oder ums Schulgärtle in Neidlingen.
Für Renate Hitzer ist vor allem ein Erlebnis unvergessen: Vor einigen Jahren wirkte die Gruppe beim Vinzenzifest in Wendlingen mit. Voraussetzung dafür war ein Festwagen. „Es waren wunderschöne Tage, die auch dem Zusammenhalt der Gruppe sehr zugute kamen“, erinnert sich die Zweite Ortsgruppen-Vorsitzende des Schwäbischen Albvereins.
Frauen nähten Kostüme selbst
Dagegen fast eine Detektivarbeit war das Herausfinden entsprechender „Auftritts-Kleidung“, wie sie einst im „Flecka“ getragen wurde - doch eine spezielle „Neidlinger Tracht“ hat es noch nie gegeben. Fündig wurde die rührige Gruppe in den Inventurlisten aus dem Gemeindearchiv. Dort stand geschrieben, was bei der Heirat eines Paares alles in die Ehe eingebracht und schließlich wieder vererbt wurde. Detailliert aufgelistet war die Kleidung der Männer und Frauen in Form, Farbe und Material - festgelegt auf die Jahre zwischen 1799 und 1839 nahm die Volkstanzgruppe diese Informationen als Grundlage für die freie Wahl der Farben und der geometrischen Anordnung. Die Trachten und Kostüme wurden nach alten Vorlagen von Stoffen und Schnittmustern von den Frauen selbst genäht.
Für ihren Beitrag zum Erhalt von Kulturgut erhielt die Tanzgruppe bereits diverse Ehrenamtspreise.Sabine Ackermann