Auf dem Gleis nach Ulm fuhr der Testzug auf dem Bahnhof Esslingen zum Pressetermin ein. Von außen ein etwas kurz geratener ICE mit je einem Triebwagen vorne und hinten. Innen jedoch sind die beiden Mittelwagen mit der allerneuesten Technik vollgestopft.
Doch was macht der Testzug auf der Strecke? Das erklärte Christopher Megler von der DB Systemtechnik. Er ist der Versuchsleiter für das Gewerk Oberleitung. „Das Zusammenwirken von Rad und Schiene und Oberleitungen werden getestet und auch der Zugbahnfunk, also die drahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeugen und fest installierten Kommunikationspunkten, wird geprüft“, beschreibt er, was in den nächsten drei Wochen seine Arbeit sein wird.
Gestern war der Zug erstmals auf der Neubaustrecke unterwegs. Mit 40 Stundenkilometern. „Wir sind nämlich der erste Zug, der regulär auf der Neubaustrecke unterwegs ist. Die erste Zugfahrt, bei der auch die Infrastruktur getestet wird und alle Sicherheitsvoraussetzungen erfüllt sein müssen“, erklärte Megler beim Pressetermin am Dienstag.
Lange zuckelt der ICE jedoch nicht im Schneckentempo auf die Alb und wieder hinunter. Schon die nächste Fahrt fand mit 160 Stundenkilometern statt. Nun fuhr vor einigen Wochen schon einmal ein ICE die Strecke Wendlingen–Ulm. Der habe allerdings, so Megler, die Gleissymmetrie gemessen. „Auf deren Bewertung bauen wir die Fahrtechnik auf“, sagte er.
Das Ziel der Hochtastfahrten ist es, festzustellen, ob für die Geschwindigkeit, für die die Strecke gebaut ist, alle Kriterien erfüllt sind. Ob die Züge mit der Oberleitung und den Gleisen auch tatsächlich rundlaufen. Denn wenn die für die Strecke festgelegten Normen überschritten werden, muss nachgebessert werden.
Sollte beispielsweise der Stromfluss an der Oberleitung an irgendeiner Stelle entlang der Strecke unterbrochen werden, und sei es auch nur für eine Sekunde, wird das Team im Testzug dies feststellen und kann den Technikern genau sagen, bei welchem Streckenkilometer sie das Problem suchen und beheben müssen.
Bis zum 9. April sind die Hochtastfahrten laut Megler zunächst angesetzt. Am Ende wird der Zug mit 275 Stundenkilometern zwischen Ulm und Wendlingen hin und her brausen – schneller als im Regelbetrieb. Das ist zum einen eine fahrtechnische Vorgabe, zum anderen soll dadurch die größtmögliche Sicherheit im Fahrbetrieb gewährleistet werden.
Hochtastfahrten und ihre Besonderheiten
Im Mai 1988 gab es eine Weltrekordfahrt mit dem ICE-Vorläufer Intercity-Experimental. Die Hochtastfahrten begannen, nachdem ein Teil der Neubaustrecke Würzburg–Fulda fertiggestellt war. Die Rekordgeschwindigkeit betrug 406 Stundenkilometer.
Im September 2014 fanden die Hochtastfahrten auf der Neubaustrecke Erfurt–Gröbers statt, die bis zu einer Geschwindigkeit von 330 Stundenkilometer gingen. Zusammen mit weiteren Versuchs- und Demonstrationsfahrten wurden bis zur Eröffnungsfahrt im Dezember 2015 rund tausend Fahrten durchgeführt.
Am 14. November 2015 kam es bei den Hochtastfahrten für die Schnellstrecke LGV Est in Frankreich ungefähr zwölf Kilometer vor Straßburg zum Eisenbahnunfall von Eckwersheim, als der Testzug in der Kurve vor der Einfädelung in die Bestandsstrecke entgleiste. Dabei waren elf Todesopfer und 42 Verletzte zu beklagen, darunter vier Kinder, die unerlaubt Angehörige des Testteams begleiteten. Die Ursache für den Unfall war überhöhte Geschwindigkeit. Die Zugbeeinflussung war ausgeschaltet, um die Überschreitung der Streckenhöchstgeschwindigkeit von 320 Stundenkilometer bis auf 352 Stundenkilometer in der Spitze zu ermöglichen. sg