Notzingen. Wie sehr die Einkaufssituation in Notzingen den Bürgern unter den Nägeln brennt, konnte jeder bei einem Blick in die Zuschauerreihen erahnen. Die „Landfrauen“ hatten extra ihre Sitzung unterbrochen, um mehr über ein Gerücht zu erfahren, das seit ein paar Tagen in Notzingen und Wellingen die Runde macht. Und um dem Bürgermeister mitzuteilen, was sie von dem geplanten Supermarkt im Gewerbegebiet halten.
„Meiner Meinung nach sind die meisten Bürger nicht dafür, sondern dagegen. Sie wollen keinen Supermarkt, sondern einen neuen Laden, der den Ortskern stärkt“, sagte Petra Lippkau, Vorsitzende der Notzinger Landfrauen, in der Bürgerfragestunde. Als Beispiel nannte sie einen CAP-Markt (siehe „Nachgefragt“). Mit dem Rollator fahre niemand raus ins Gewerbegebiet, auch mit dem Auto werde man eher in Kirchheim oder Wernau als in Notzingen einkaufen. Um herauszufinden, was die Notzinger und Wellinger wirklich wollen, schlug Lippkau vor, dem Notzinger Mitteilungsblättle einen Umfragezettel beizulegen – ähnlich dem, den die Bürger aktuell zum Thema „Bürgerbus“ ausfüllen können.
Damit stieß Lippkau beim Bürgermeister auf taube Ohren. „Wenn Sie eine Umfrage machen wollen, müssen Sie Stimmen für ein Bürgerbegehren sammeln“, sagte Sven Haumacher. Er sieht die Gemeinde nicht in der Pflicht, einen neuen Betreiber für das „Notzinger Lädle“ zu finden. „Das regelt der freie Markt. Die Aufgabe einer Gemeinde ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen“, sagte er.
Haumacher bestätigte, dass sich ein Vertreter des CAP-Markts bei der Gemeinde vorgestellt hat, der das „Lädle“ betreiben will. Die Voraussetzung sei allerdings gewesen, dass die Gemeinde einen Zuschuss in Höhe von 50 000 Euro zahlt. Daraufhin habe er den Gemeinderat in nicht öffentlicher Sitzung darüber informiert. „Dort war die Tendenz, dass man einem Gewerbetreibenden keine 50 000 Euro Zuschuss zahlt“, so Haumacher. Das habe er dem Herrn von der Filderwerkstatt, die die CAP-Märkte betreibt, mitgeteilt und ihn eingeladen, dennoch in eine öffentliche Sitzung zu kommen und sein Konzept vorzustellen. Das habe der jedoch abgelehnt.
In der gestrigen Gemeinderatssitzung betonte SPD-Gemeinderat Helmut Langguth, dass das Gremium keinen Beschluss zum Thema gefasst hat. Ein Beschluss ist nur in öffentlicher Sitzung möglich.
Wenn es nach Sven Haumacher geht, scheint der Zug jedoch abgefahren zu sein. „Ich würde einem Gewerbetreibenden nicht mal 20 Euro Zuschuss zahlen. Ich finde das vollkommen absurd und auch rechtswidrig“, sagte der Bürgermeister. Den Vorwurf einer Bürgerin, dass die Gemeinde einem Supermarktbetreiber schließlich auch ein Grundstück im Gewerbegebiet zur Verfügung stelle – vorausgesetzt, die Besitzer verkaufen es an die Gemeinde – räumte Haumacher auf telefonische Nachfrage aus. „Die Gemeinde würde das Grundstück an das Unternehmen verkaufen, das den Supermarkt betreibt“, sagte er.
Während die Landfrauen rund um Petra Lippkau der Meinung waren, dass ein Supermarkt im Gewerbegebiet nicht gut ankommen wird, ist Sven Haumacher vom Erfolg seines geplanten Projekts überzeugt. „So ein Supermarkt würde sich rechnen. Locker vom Hocker“, sagte er. Er erhofft sich außerdem Synergieeffekte. „Es gibt Studien, dass auch Menschen aus anderen Gemeinden zum Einkaufen kommen“. Daran glaubt Petra Lippkau nicht. „In Wernau und Kirchheim haben die Leute ihre eigenen Geschäfte. Wieso sollen die nach Notzingen kommen?“, fragte sie. Sie fürchtet um die Notzinger Ortsmitte. „Ein Ort, in dem es keine Geschäfte gibt, ist tot“. Solche Gedankengänge bezeichnete Sven Haumacher als „nicht rational“. Im Übrigen liege das in der Verantwortung der Bürger. „Jeder hier kann einen Lebensmittelmarkt eröffnen“.
Thema Einkaufen bewegt Notzinger
