Kirchheim. Das Krankenhaus ist für gewöhnlich kein Ort, mit dem man schöne Erlebnisse verbindet. Bei Theresia und Fritz Russ ist das anders: Denn dass Fritz 1955 mit seinem künftigen Schwiegervater in einem Zimmer lag, konnte er damals noch nicht ahnen. Als Theresia eines Morgens ihren Papa besuchte, funkte es zwischen ihr und dem 20-Jährigen. Bis heute trennten sich ihre Wege nicht mehr.
Es dauerte zwar noch ein paar Monate, bis die gebürtige Jugoslawin und der Naberner offiziell ein Paar wurden. „Das war aber eher den Umständen geschuldet. Ich hatte mich sofort in sie verguckt“, schmunzelt Fritz Russ. Da Theresia in Beuren wohnte, pendelte das junge Liebespaar. Bis sich Fritz irgendwann dem Wunsch seiner Herzensdame beugte und zu ihr ins Elternhaus zog. Nach der Hochzeit führten sie ein Leben geprägt von der Arbeit: Er als Flaschnermeister und Ehrenamtlicher in verschiedenen Vereinen und sie als Näherin in einer Strickwarenfabrik. 1974 folgte der Umzug zurück in Fritz‘ Heimat Nabern - auch des Berufes wegen. Im frisch bezogenen Haus lag nämlich nicht nur die Wohnung, sondern im Erdgeschoss auch das neu gegründete Familienunternehmen.
Während dieser Zeit brachte Theresia vier Kinder zur Welt. Erholung gönnte sich das Ehepaar kaum. „Erst nach einigen Jahren sind wir das erste Mal in den Bayerischen Wald gefahren. Aber dort waren wir dann beinahe jährlich“, erinnert sich der 83-Jährige, der vor Kurzem aufgrund seiner vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekam. Der inzwischen fünffache Großvater spielte leidenschaftlich Posaune. Zudem war er jahrzehntelang im Musikverein, im Ortschaftsrat Nabern und in der Handwerkskammer Stuttgart im Vorstand aktiv. Das alles nahm eine Menge Zeit in Anspruch. „Ich war immer viel unterwegs, aber meine Frau hielt mir in jeder Hinsicht den Rücken frei“, sagt Fritz Russ zufrieden.
Am morgigen Mittwoch feiert das Paar seinen 60. Hochzeitstag. Die Besonderheit dieses Ereignisses wissen beide zu schätzen. „Ich bin dankbar, dass wir beide überhaupt so lange gemeinsam leben dürfen“, meint Theresia Russ demütig. Die Frage, ob sie denn im Nachhinein etwas in ihrem Leben anders machen würde, verneint sie auf Anhieb. „Überhaupt gar nichts. Ich bereue nicht einen einzigen Moment.“Max Carlo Pradler