Zwischen Neckar und Alb
Ticketschalter im Bahnhof kehrt zurück

Reisen In den Gesprächen mit der Bahn, Abellio und dem Land ist nun der Durchbruch gelungen. Nürtingen bekommt eine Mobilitätszentrale. Von Anneliese Lieb

Das Tauziehen hat ein Ende. Vergangenen Mittwoch ist in Sachen Mobilitätszentrale im Nürtinger Bahnhof der Durchbruch gelungen. Nach einer Reihe von intensiven Gesprächen haben sich das Land, die Stadt Nürtingen, Abellio, DB Station und Service als Eigentümer des Bahnhofsgebäudes und DB Vertrieb über die Errichtung einer Mobilitätszentrale geeinigt.

Im ehemaligen Reisezentrum im Nürtinger Bahnhof, das nach der Übernahme der Strecke Stuttgart-Tübingen durch Abellio im vergangenen Sommer geschlossen wurde, sollen die Reisenden künftig auch wieder Fernverkehrs­tickets kaufen können. Darüber hinaus werde es vielseitige Mobilitätsangebote geben, verspricht Oberbürgermeister Johannes Fridrich. Der Nürtinger Rathauschef ist erleichtert und auch ein wenig stolz auf den Erfolg. Denn lange Zeit sah es so aus, als dass der Fahrkartenservice für Fernreisen in Nürtingen endgültig der Vergangenheit angehört. Es gibt zwar viele Bahnkunden, die ihre Zugfahrkarte online kaufen, doch gerade ältere Menschen schätzen das Angebot einer persönlichen Beratung durch versierte Mitarbeiter. Wer für seine Fahrt bei Verwandtenbesuchen in Frankfurt oder Fürstenfeldbruck eine Fahrkarte benötigte und sie nicht online erwerben konnte oder wollte, der musste entweder nach Metzingen oder Wendlingen fahren.

Die DB Vertrieb GmbH, die bis Mai 2020 für den Ticketverkauf entlang der Strecke zuständig war und Fahrscheine für den Nah- und Fernverkehr anbot, zog nach der Übernahme durch Abellio zurück. Seither gibt es Tickets über die Buchhandlung Eckert.

„Interesse zur Anmietung dieser Fläche?“, stand in den zurückliegenden Monaten auf einem Plakat an der verschlossenen Tür zum ehemaligen Reisezentrum. Seit Ende letzter Woche hängt daneben ein weiteres Plakat. „Wir bauen für Sie um! In Kürze sind wir mit unserer Verkaufsstelle wieder für Sie da.“ Eine Entwicklung, die vor allem Oberbürgermeister Fridrichs Hartnäckigkeit zu verdanken ist. Mitgeholfen, dass es so kam, hat aber auch die Unterschriftenaktion der Nürtinger SPD, die um die 900 Menschen mobilisierte. Unterstützt auch vom Nürtinger Stadtseniorenrat. „Dieser positive Druck war wirklich gut“, sagt Fridrich. Und auch die anderen Gemeinderatsfraktionen standen hinter den Bemühungen des Oberbürgermeisters. „Ein Erfolg für das Team Nürtingen“, ist Fridrich begeistert. Künftig werden Reisende und andere Kunden auch wieder Parkberechtigungsscheine für den Park-and-ride-Platz in der Plochinger Straße kaufen können, es soll dort Postkarten, Souvenirs und andere Merchandising-Produkte geben - auch Nürtingen als künftige Fairtrade-Stadt soll sich dort wiederfinden. Dann wird die Regiorad-Station, die spätes­tens bis Sommer kommen soll, am Bahnhof eingerichtet und es werden, wie vom Gemeinderat im Rahmen der Haushaltsplanberatung beschlossen, Fahrradboxen aufgestellt. Ein echter Gewinn für Nürtingen, denn zudem sollen die Öffnungszeiten ausgeweitet werden, damit Reisende erstmals auch die Möglichkeit haben, sonntags Fahrscheine mit persönlicher Beratung zu erwerben.

Die Einigung über die Errichtung einer Mobilitätszentrale in Nürtingen sieht auch Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, als Erfolg. „Die Lösung bringt mehr als den Verkauf von Fahrkarten des Fernverkehrs. Sie bringt das, was zu einem gut ausgestatteten Bahnhof gehört, nämlich verschiedene Mobilitätsangebote.“ Gut sei, so Gastel, dass es auch einen Video-Schalter geben werde. Reisende seien so zeitlich flexibler. „Einen solchen Schalter konnte ich selber schon in Ludwigsburg ausprobieren und hinter die Kulissen schauen, um zu sehen, wie die Kundschaft beraten wird.“

Die Kosten für die Mobilitätszentrale in Nürtingen werden zu 60 Prozent vom Land und zu jeweils 20 Prozent von der Stadt Nürtingen und von Abellio getragen. 15 000 Euro sind für das Vorhaben bereits im Haushaltsplan 2021 der Stadt Nürtingen eingestellt. Was jetzt noch fehlt ist, eine öffentliche Toilette im Nürtinger Bahnhof. Ein echtes Defizit. Darauf müssen die Bahnkunden aber noch warten. Der Pächter für die renovierte Gaststätte ist abgesprungen. Die DB ist auf der Suche nach einem neuen Gastronomen. Ist er gefunden, soll die Toilette als „Nette Toilette“ für alle zugänglich werden.