Es ist ein Wohnexperiment mit Anlaufschwierigkeiten: Mit Grundstücken für Tiny-Houses wollte die Stadt Nürtingen im Jahr 2021 neue Wohnformen erproben. Vier Flächen im Breiten Weg hat man dafür vorgesehen. Wiesen, auf den die Wohneinheiten, die nicht größer als 35 Quadratmeter sein dürfen, aufgestellt werden können. Doch von Anfang an war die Nachfrage nach den Minihäusern gering, sagt Bernd Schwartz, Leiter des Amtes für Liegenschaften bei der Stadt Nürtingen: „Insgesamt hatten wir bis jetzt vielleicht 30 Interessenten.“ Nur einer von ihnen hat am Ende tatsächlich einen Pachtvertrag unterschrieben. Das Tiny-House wurde Ende vergangenen Jahres angeliefert.
Der Aufbau lief jedoch alles andere als optimal. Beim ersten Versuch blieb der Anhänger mit dem Haus im nassen Boden stecken, der dabei entstandene Schaden in der Rasenfläche musste vom Grundstückspächter behoben werden. Der zweite Versuch – eine Woche später – gelang. Mit einem Kran wurde das Haus an die richtige Stelle gehievt und zunächst auf Stützpfeiler gestellt.
Empörung im Netz
Die Reaktionen auf das Haus ließen nicht lange auf sich warten. In den sozialen Medien echauffierten sich zahlreiche Leute über das Äußere des Tiny-Houses, das so gar nicht in die Braike passen würde. Noch bevor jemand eingezogen war, wollte man diese Wohnform nicht mehr in der Nachbarschaft haben. Und die Angelegenheit wurde noch schräger – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn das Haus ist mittlerweile an einer Seite abgerutscht, steht nun schief auf den Stahlträgern.
Was genau passiert ist, weiß man bei der Stadtverwaltung nicht. „Die Stadt ist nur für die äußere Erschließung zuständig“, sagt Bernd Schwartz: „Wir haben so gesehen unsere Hausaufgaben gemacht.“ Alles Weitere sei Sache des Besitzers des Hauses. „Indirekt beobachten wir die Situation natürlich.“ Vor zwei Wochen habe man dem Pächter mitgeteilt, dass der das Haus auf das Fundament setzen muss. Seit seiner Anlieferung im November steht es auf den Stützpfeilern. „Es könnte sein, dass das Haus, beim Versuch, es auf das Fundament zu setzen, abgerutscht ist“, sagt Schwartz. Man gehe davon aus, dass die Restarbeiten bald erledigt werden.
Keine gestalterischen Vorgaben
Für den Besitzer des Hauses wolle er eine Lanze brechen, sagt Schwartz. „Diese Wohnform ist eine persönliche Entscheidung.“ Ob das andere Leute „schön oder nicht schön finden“, spiele keine Rolle. Man gebe den Leuten ganz bewusst nicht vor, wie ein Tiny-House auszusehen hat. „Der Gestaltungsbeirat mischt sich auch nicht bei Einfamilienhäusern im Enzenhardt ein“, gibt Schwartz als Beispiel. In den Voraussetzungen der Stadt Nürtingen für Tiny-Houses ist festgehalten: „Um eine größere gestalterische Vielfalt zu ermöglichen, werden keine Festsetzungen zur Gestaltung der Fassaden und Dächer getroffen.“ Allerdings müssen Flachdächer begrünt werden. Zum Hauseingang muss ein „schmaler Kiesweg“ führen. Tiny-Houses auf Rädern sind nicht zulässig. Aufschüttungen oder Abgrabungen sowie die Lagerung von Materialien jeglicher Art ist ebenfalls verboten. Bis wann diese Vorgaben umzusetzen sind, wird jedoch nicht vorgegeben. Genauso wenig, bis wann ein Tiny-House bezogen werden muss.
„Der Hype ist vorbei“
Aufgrund der „unterdurchschnittlichen Nachfrage“, wie Schwartz sagt, plane man derzeit keine weiteren Flächen für Tiny-Houses auszuweisen. „Vor drei Jahren gab es einen Hype um die Tiny-Houses. Der ist vorbei.“