Tradition und Innovation gehen mitunter Hand in Hand. So etwa im Falle der Ausstellungsreihe „Kunst in der Region“. Seit den 1990er-Jahren versammelt sie kreative Köpfe der Nachbarkommunen Kirchheim, Nürtingen und Wendlingen. Abwechselnd treten die drei Städte als Veranstaltungsorte in Erscheinung. Wer nun mutmaßt, das regionale Potenzial müsse längst erschöpft sein, den belehren die Ausstellungen in schöner Regelmäßigkeit eines Besseren. Zuletzt fiel die Wahl der Jury auf die Künstler Anett Frey, Micha Hartmann und Sabine Vosseler-Waller. Auf Einladung des Kirchheimer Kunstvereins stellt das Trio Druckgrafiken in der Galerie Diez in Dettingen aus. Galerist Wolfgang Diez springt damit in die Bresche und sichert während der Sanierung des Kirchheimer Kornhauses dem lokalen Kunstleben einen würdigen Schauplatz.
In ihrer Einführung zur Ausstellung stellte Kunsthistorikerin Birgit Wiesenhütter den experimentellen Ansatz heraus, der die drei Kunstschaffenden vereint. Alle ausgestellten Werke seien Unikate. Eine verblüffende Tatsache in Anbetracht einer Werkschau, die ausschließlich der auf Vervielfältigung gerichteten Druckgrafik gewidmet ist. Tod und Vergänglichkeit sind dominierende Themen im Schaffen von Anett Frey. Das Sujet ihrer Serie „Findlinge“ sind tote Tiere, Vögel vor allem. Was manchem abschreckend erscheinen mag, begegnet dem künstlerischen Blick mit Faszination und Schönheit. Respektvoll spürt Anett Frey dem entschwundenen Leben nach: „Es geht ihr um das Wesen der Dinge, das im Zeichnen wie im Radieren existent wird“, machte Wiesenhütter deutlich. Der Kreislauf von Freys individuellem künstlerischem Schaffensprozess könne parallel zum Werden und Vergehen der Natur gesehen werden. Im Miteinander von Intensität und Zartheit entstehen „Bilder voller zarter aber auch bestürzender Poesie“.
Ganz aus der Fülle des Lebens schöpft Sabine Vosseler-Waller. Ihre kleinformatigen Arbeiten sind spielerische Kompositionen, die auf meisterlicher Beherrschung des druckgraphischen Repertoires beruhen. Fast allen Werken liegt eine Radierung zugrunde, die experimentell weiterentwickelt wird. Neben der Kombination von Hoch- und Tiefdrucktechniken schlagen sich Offenheit und Neugier der Künstlerin auch im Einsatz unkonventioneller Verfahren nieder. Als „Spiegel und Panoptikum des Lebens“, charakterisierte Wiesenhütter diese Bildwelten, die ihre Existenz einem „Prozess mit offenem Ausgang“ verdanken.
Trotz ihrer formal strengeren Anmutung liegt auch den Drucken von Micha Hartmann ein spielerischer Ansatz zugrunde. Auffällig an seinen Lithografien ist die stete Wiederholung von Kreisformen. Farbe, Form und Materialität sprechen mit und erzeugen einen Dialog von Druckplatte und Bildträger. Räumliches Changieren mehrerer Druckebenen unterwandert die formale Strenge und eröffnet neue Zusammenhänge. Indem Hartmann einige seiner Lithografien zu schwebenden Papierobjekten faltet, erweitert er den Formenkanon ins Dreidimensionale und stellt mit druckgrafischen Mitteln grundlegend bildhauerische Fragen: „Positiv- oder Negativform? Dieses Spiel geht hier besonders gut auf“, stellte die Laudatorin fest.
Die Ausstellung „Kunst in der Region – Druckgrafik“ ist noch bis einschließlich 11. November in der Galerie Diez in der Kirchheimer Straße 85 in Dettingen zu sehen. Die Galerie ist freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.