Zahllose Menschen verfolgten, wie am 9. November 1989 die Mauer fiel. Noch am selben Abend öffneten sich die Grenzübergänge. Deutsche aus Ost und West lagen sich in den Armen, Freudentränen flossen. Bilder, die auch in dem kleinen Städtchen am Fuße der Teck nicht in Vergessenheit geraten sind. Und das aus gutem Grund. Genau wie viele andere Kommunen ging Owen nach der Wende eine Partnerschaft mit einer ostdeutschen Ortschaft ein. Siegfried Roser erinnert sich noch gut daran, wie der Gemeinderat am 5. Februar 1991 beschloss, mit Kahnsdorf Kontakt aufzunehmen.
Doch schon von Anfang an ging es um mehr als nur eine Verwaltungspartnerschaft, wie Owens ehemaliger Rathauschef betont. Begegnungen schaffen, Austausch fördern und Gemeinschaft stiften - ein Gedanke, der noch heute die geknüpften Verbindungen mit Leben füllt. Roser und sein damaliger Kahnsdorfer Amtskollege Lothar Illge setzten früh Impulse, aus denen sich ein tragfähiges Netz zwischenmenschlicher Beziehungen entwickelte. Im Juli 1991 reiste der Gemeinderat in die kleine Ortschaft im Osten Deutschlands. Schon bei diesem ersten Besuch wurde zwischen den Feuerwehren beider Kommunen angebandelt. Das lag für Siegfried Roser auf der Hand, denn in Kahnsdorf gab es keine Vereine, dafür aber die Floriansjünger.
Und die wurden in diesem Fall zu Brückenbauern. Denn nach Jahrzehnten der Trennung, in denen verschiedene politische Systeme und Lebenswelten die Menschen in Ost und West geprägt hatten, wurde eine Phase des Aufeinander-Zubewegens eingeleitet. Das zeigen auch die Beziehungen, die zwischen Owen und Kahnsdorf aufgebaut wurden. Noch im Dezember 1991 reisten fünf Feuerwehrleute vom Fuße der Teck zusammen mit ihren Ehefrauen in die sächsische Gemeinde. Max Taxis erinnert sich noch gut an diese Reise. „Der Aufenthalt hat mich tief bewegt“, gesteht Owens ehemaliger Feuerwehrkommandant. Dass es in der ehemaligen DDR Versorgungslücken gab, die manche mit Sendungen von Familie und Freunden aus der Bundesrepublik, sogenannten Westpaketen, zu kompensieren versuchte, wusste Taxis.
„Uns war klar, dass die Menschen im Osten ärmer waren, dass Mangelwirtschaft vorherrschte“, berichtet er. „Aber das wirkliche Ausmaß lernten wir erst bei unserem Besuch kennen.“ Die Infrastruktur war marode, die Häuser waren schwarz vom Braunkohleabbau, der die Landschaft rings um die Siedlung derart abgetragen hatte, dass sämtliche Ortsverbindungen nach Norden, Osten und Westen gekappt worden waren, erinnert sich Taxis. Siegfried Roser hielt seinen ersten Vortrag in Kahnsdorf in einem Saal, in dem mitten im Sommer die elektrischen Heizöfen liefen, weil sie sich nicht abstellen ließen. „Da wollten wir helfen“, so Roser. „Man gab sich auf Verwaltungsebene Tipps.“ Doch schon 1994 ging Kahnsdorf in einem Gemeindeverbund auf. Die Verwaltungspartnerschaft endete, aber nicht die Freundschaft zwischen den Menschen.
Nach Owens Feuerwehr knüpfte auch der Musikverein Kontakte in die sächsische Kommune. Bei deren Parkfest spielte 1994 die Stadtkapelle. 1993 kamen die Kahnsdorfer zum Maientag ins Brennerstädtle. In kurzer Zeit entwickelte sich so eine Partnerschaft der Herzen, aus der sogar drei Ehen hervorgingen. Auch die von Gemeinderat Michael Roth und seiner Frau Christiane. „Wir sind auf der persönlichen Ebene eng zusammengewachsen“, bestätigt Jürgen Günther, von der Ortsfeuerwehr Kahnsdorf der Gemeinde Neukieritzsch. Bis heute muss bei den wechselseitigen Besuchen niemand ins Hotel. „Jeder kommt bei einer Familie unter“, versichert Max Taxis. „So entstehen Freundschaften über Generationen hinweg.“
Für Verena Grötzinger, die aktuell im Chefsessel des Owener Rathauses sitzt, „kamen hier einfach Menschen zusammen, die den Willen hatten, Gemeinschaft zu leben“. Das ist für sie auch die Erklärung dafür, dass diese inoffizielle Gemeindepartnerschaft seit 25 Jahren hält.