Das Glück der Erde liegt für viele schon seit Jahrhunderten auf dem Rücken der Pferde. Klappriger Lada oder Porsche, das war früher Schindmähre oder elegantes Vollblut. Vor allem Männer dominierten diese Art der Fortbewegung. Wie heute die Autos waren Pferde – wahlweise mit und ohne Kutsche – einst ein Prestigeobjekt.
Das hat sich heute in mehrfacher Hinsicht verändert. Vor allem Mädchen und Frauen haben sich den Pferden verschrieben, wenngleich im Profisport die Männer in der Mehrheit sind. Auch der Umgang mit den Tieren erfährt eine Wandlung: Vom reinen Arbeitstier, das bis an die Grenzen der Belastbarkeit angetrieben wurde, hin zum Partner auf Augenhöhe. „Wir müssen den Pferden wieder ganz viel zurückgeben“, fasst es Hagen Kälberer zusammen. Auf dem Lindenhof in Ohmden bietet er unter dem Label Ponykids unter anderem Ferienkurse zum Pony-Führerschein sowie Pony- und Pferdetrekking ausschließlich in Begleitung an.
Das ist kein Entenzug.
Hagen Kälberer über das korrekte Überqueren einer Straße mit Pferden
Es ist ein schöner Frühlingstag. Leni und Liz sitzen glücklich auf zwei Arabern und genießen den geführten Ausritt. Der Opa eines der Kinder läuft mit durch Wald und Flur und hört Hagen Kälberer genauso aufmerksam zu wie die Mädchen. Der geprüfte Berittführer kann viel erzählen, wie er so zwischen Naama und Hans läuft – beispielsweise über die Geschichte des Reitens. „Federico Caprilli war ein Rittmeister in der italienischen Armee, der maßgeblich zum entlastenden Sitz beigetragen hat.“ Deshalb lautet die klare Ansage schon beim Aufsitzen: „Sitzt gleich so auf das Pferd, dass der Schwerpunkt in der Mitte ist. Als Erstes atmet ihr aus. Das gibt dem Pferd ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit. Mit dem richtigen Atmen kann die Energie im Kreis fließen.“
Über die Araberzucht erzählt Hagen Kälberer noch vor dem Aufsitzen. Die Mädchen warten an der Königslinde, die den Lindenhöfen ihren Namen gab. Württembergs König Wilhelm I. ist nicht nur der Namensgeber der Ohmdener Linde, sondern auch Begründer der legendären Araberzucht, die heute noch in Marbach auf der Alb bewundert werden kann, insbesondere jetzt, wo die Fohlen auf den Weiden toben. Es waren einige Abenteuer für die ersten Aufkäufer des Königs und die Pferde aus der Wüste zu überstehen, bis sie in Württemberg ankamen. „Ich biete Ponytrekking an – und das mit Araberpferden. Das sind keine großen Pferde, aber keiner würde auf die Idee kommen, sie als Ponys zu bezeichnen. Ab einer Widerristhöhe von 149 Zentimeter ist es ein Pferd“, erläutert er.
Das richtige Verhalten mit und auf dem Pferd sowie den Mitreitern will gelernt sein. „Wir bleiben an der Straße nebeneinander stehen. Ist die frei, gehen wir so schnell wie möglich nebeneinander rüber – das ist kein Entenzug“, lautet die klare Ansage. Jetzt wird es für alle Beteiligten entspannt. „Ihr balanciert so auf dem Pferd, dass es für alle angenehm wird. Die Engländer sagen dazu: Passanger on a Horse, also ein Passagier auf dem Pferd, der möglichst nicht stört.“

Theorie kann gleich in die Praxis umgesetzt werden. „Pferde sind Fluchttiere, deshalb braucht es einen Weitblick. Immer nach vorne schauen, damit ihr seht, was kommt. Dann könnt ihr in Ruhe reagieren und dem Pferd damit Sicherheit geben“, sagt er und schaut genauso verdutzt den Einradfahrer auf dem Waldweg an wie die Pferde. „Man muss auf alles vorbereitet sein“, sagt er grinsend und spricht gleich weiter von der Hinterhand seiner Araber, die der Motor sind.
Wie reitet man am besten einen Hang hinunter? „Immer gerade zum Hang, notfalls am Sattel abstützen. Das Pferd entlasten.“ Das ist gar nicht so einfach, man muss ein Gespür für die Bewegung bekommen. Die kann manchmal holprig sein, beispielsweise wenn die Tiere über einen Ast steigen. „In brenzligen Situationen gilt: Ruhig auch mal den Mähnenschopf packen, bis man wieder die Stabilität gefunden hat.“
Silberweide ist Powerriegel für Pferde
Hagen Kälberer will den Kindern vor allem auch ein Gefühl für die Natur mitgeben, fernab von jeglicher Gamestation. „Spürt ihr die Wärme des Pferdekörpers? Wie fühlt sich das Fell an? Hört ihr die Vögel, das Rauschen der Blätter – die Stille?“, fragt er die Mädels hinter sich, die plötzlich den Kopf nach oben drehen, aufmerksam schauen und lauschen. Das ist auch für den Berittführer eine Auszeit. Dann gibt es wieder Pflanzenkunde, denn Giftpflanzen wie Efeu, Eibe und Adlerfarn sollten fern vom Pferdemaul bleiben. „Akazie kann Kolik auslösen, die Silberweide ist der Powerriegel für zwischendurch“, erklärt er. Verhaltensregeln gehören auch zum geregelten miteinander in der Natur. „Mit einem ,Hallo’ seid ihr nicht nur freundlich zu den Leuten, sondern das Pferd fühlt sich dadurch auch sicher.“ Verdutzt ist dagegen der ältere Herr auf dem Fahrrad, der nur mühsam ein Hallo zustande bringt.
Viel zu schnell ist die Zeit auf dem Pferderücken für Leni und Liz vergangen. Naama und Hans freuen sich dagegen schon auf das Heu im Paddock. Die Pferde müssen sich allerdings noch ein bisschen gedulden. Schließlich soll auch hier das Handling stimmen. Hagen Kälberer zeigt, worauf man achten muss, damit alles ruhig läuft.
