Zwischen Neckar und Alb
Trotz des Lärmgutachtens bleiben viele Fragen für die betroffenen Kommunen noch offen

Ärger Der Streit wegen der geplanten neuen Abflugroute am Stuttgarter Flughafen hätte die betroffenen
Städte und Gemeinden befrieden sollen. Doch die Bewertungen gehen weit auseinander. 
Von Elisabeth Maier

Die Rathauschefs im Landkreis Esslingen bewerten die Ergebnisse des unabhängigen Lärmgutachtens, das am Montag in der Fluglärmkommission für den Flughafen Stuttgart vorgestellt wurde, unterschiedlich. Der Gutachter Markus Petz vom Büro Accon hatte die Expertise in der Online-Sitzung erläutert. Ostfilderns Oberbürgermeister Christof Bolay, der in der Sitzung für zwei weitere Jahre in seinem Amt bestätigt wurde, lobte die konstruktive Atmosphäre.

Entschieden wird über die neue Route erst am 4. Juli. Das liegt daran, dass diese nun bei Simulationsflügen getestet wird. Wegen der Coronapandemie und des Kriegs in der Ukraine seien die Kapazitäten im Simulator jedoch knapp, hieß es. Bolay hatte sich für einen einjährigen Probebetrieb ausgesprochen, der evaluiert wird. „Das haben wir uns in Düsseldorf abgeschaut, dort wurde die neue Route im Probebetrieb getestet.“ Außerdem sprach er sich dafür aus, die Flüge über den neuen Wegpunkt „Tedgo“ in Richtung Süden auf zwei pro Stunde zu deckeln.

 

Das haben wir uns in Düsseldorf abgeschaut, dort wurde die neue Route im Probebetrieb getestet.

Ostfilderns Oberbürgermeister Christof Bolay

 

Neu als feste Mitglieder in der Fluglärmkommission sind die Gemeinden Altbach und Deizisau. „Unsere Gemeinde ist extrem vom Fluglärm belastet“, sagte Altbachs Verwaltungschef Martin Funk. Auch der Bahnlärm und der Lärm von der Bundesstraße belasteten die Kommune schwer. Die Gemeinde im Neckartal war seit 2011 bereits als Ersatzmitglied in der Kommission vertreten. „Es ist längst überfällig, dass unsere Stimme gehört wird.“ Ähnlich äußerte sich auch Deizisaus Bürgermeister Thomas Matrohs, dessen Gemeinde nun ebenfalls einen Sitz in der Fluglärmkommission hat. Für beide sind in der Sitzung keine Fragen offen geblieben. Sie erhoffen sich durch die neue Route mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Belastungen. Matrohs ist verärgert über den Aufschrei seiner Bürgermeisterkollegen auf den Fildern und in Nürtingen. Auch die Proteste der Bürgerinitiativen könne er nicht nachvollziehen, nachdem das Gutachten nun ergeben habe, dass die Verschiebungen „minimal“ seien. Matrohs ist froh, dass nun auch die Neckartalkommunen in der Fluglärmkommission vertreten sind: „Ich möchte aber die Belange aller betroffenen Städte und Gemeinden im Blick behalten.“

Klar gegen die neue Route spricht sich der Neuhausener Bürgermeister Ingo Hacker aus. „Nach wie vor bin ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus Nürtingen, Wolfschlugen, Denkendorf, Köngen, Waldenbuch, Aichtal und allen anderen neu betroffenen Kommunen gegen eine Verlegung der Flugroute, da viele Menschen zusätzlich mit Lärm belastet würden.“ Hacker findet es gut, „dass wir nun ausreichend Zeit haben, um in den Gremien und der Bürgerschaft das Lärmgutachten öffentlich zu diskutieren“. In Neuhausen wird das Gutachten in der Gemeinderatssitzung am 12. April öffentlich vorgestellt. Der Gutachter Markus Petz wird die Expertise dann erläutern. Neuhausen hat die neuen Wohngebiete in den Akademiegärten und Östlich Ziegelei bewusst abseits des damaligen Lärmkorridors geplant. Das bringt die Kommunalpolitiker jetzt in Schwierigkeiten.

Viele offene Fragen haben auch die Bürgermeister Otto Ruppaner aus Köngen und Ralf Barth aus Denkendorf. „Mir ist die Motivation für die Routenänderung nach Vorlage des Gutachtens nicht mehr ganz klar“, sagte Köngens Bürgermeister Otto Ruppaner. Die Expertise habe klar ergeben, dass sich die Verschiebungen im Promillebereich bewegen: „Weshalb braucht man dann überhaupt eine so aufwendige Routenänderung?“ Sein Kollege Barth sieht das ebenso: „Es kommen viele neu Betroffene dazu, die dann ebenfalls belastet werden.“ Barth hält die nun anstehenden Flüge im Simulator für unverzichtbar, um das Thema abschließend beurteilen zu können. Denn je nach der Variante, die umgesetzt wird, wäre Denkendorf unterschiedlich stark betroffen. „Offen sind weiter die Fragen hinsichtlich der Flugsicherheit. Hierzu liegen aus der Sicht des Nürtinger Oberbürgermeisters Johannes Fridrich – entgegen der ursprünglichen Ankündigung – noch keine Ergebnisse vor. Aus seiner Sicht scheiden Fluglärm und Klimaschutz nun wohl als Gründe für die Routenänderung aus.