Das Publikum zuckt erschreckt zusammen. Ein lauter Knall tönt durch das Stage-Palladium-Theater im Stuttgarter SI Centrum. Mit einem Schuss aus der Pistole beginnt die leidenschaftliche Liebesgeschichte als Musical. Mit auf der Bühne: Noah Nsofu aus Köngen. Er spielt Fletcher, Rachels Sohn.
Bis zu seinem Engagement in Stuttgart hatte der Zehnjährige mit Singen, Tanzen und Schauspielern wenig am Hut. Gerade mal zwei Jahre Klavierunterricht standen in seinem künstlerischen Lebenslauf. „Er wollte nie in einen Chor gehen, und für Theaterstücke im Kindergarten und in der Schule war er kaum zu begeistern“, berichtet seine Mutter.
Aber dann kam die E-Mail einer Bekannten, die bei dem Aufruf „Kinderstars gesucht“ sofort an Noah gedacht hatte. Denn gesucht wurden Jungen im Alter von sieben bis 14 Jahren aus Stuttgart und Umgebung mit einer maximalen Körpergröße von 145 Zentimeter und einem dunklen Teint. Kurz gesagt, Typ junger Michael Jackson. Also wie geschaffen für den damaligen Drittklässler. Den dunklen Teint und die Locken hat er von seinem Vater, der aus dem afrikanischen Sambia kommt. Noah wächst so zweisprachig auf. Englisch spricht er mit seinem Vater, Deutsch mit seiner Mutter. Ganz nebenbei lernt er auch noch Bemba, die Stammessprache seines Vaters. Eigentlich wollte seine Mutter die E-Mail gleich wieder löschen. Dass er die Musik im Blut hat und eine schöne Stimme besitzt, das war ihr schon bewusst. Die Sache mit dem Tanzen und Schauspielern, das konnte sie sich bei Noah aber überhaupt nicht vorstellen. Doch Noah war so begeistert von dieser Idee, dass er seine Mutter davon überzeugte, die Bewerbungsunterlagen einzureichen.
Mit ihm hat Köngen bereits den zweiten jungen Musicaldarsteller, der in Stuttgart das Publikum verzaubert. Bis Anfang des Jahres stand Emily Kemmner noch als Kinderdarstellerin bei „Mary Poppins“ auf der Bühne (wir berichteten). Und da die beiden zusammen in die Jungschar gehen, hatte der Lockenkopf schon viel über das Musical-Dasein gehört.
„Ich wollte da unbedingt dabei sein“, erzählt er ganz schüchtern. Auf der Bühne ist davon aber nichts zu spüren. Aufgeweckt, souverän und absolut professionell spielt er die neun Szenen seines Auftritts, der insgesamt 38 Minuten dauert, herunter.
Kein Armbruch
So meisterte er auch das Casting Anfang Juni 2017, als der Schüler, der im nächsten Schuljahr auf das Robert-Bosch-Gymnasium nach Wendlingen wechselt, sich gegen eine große Konkurrenz von über 50 Kindern durchsetzte. Ab den Pfingstferien des vergangenen Jahr war er zwei- bis dreimal pro Woche in der „Fletcher-School“, wie die Kinderabteilung des Stage-Palladium-Theaters genannt wird. Tanzen, Singen und Schauspielern stand dabei auf dem Programm. Nach zwei weiteren Castings bekam er Anfang Juli die Nachricht, dass er dabei sein wird.
Einen Tag später hielt die Familie den Atem an, denn Noah brach sich den Arm, den er sechs Wochen lang im Gips trug. Die Aufregung legte sich schnell. Singen und Sprechen ging mit Gips, und das Tanzen konnte er problemlos nachholen. Diesen kleinen Ausfall sieht man ihm keineswegs an. Wenn er seine Tanzszene absolviert, dort oben auf der Bühne in der ersten Reihe, sich zu einem der rhythmischen Whitney-Houston-Hits ganz lässig und gekonnt bewegt, dann geht ein begeistertes Klatschen durchs Publikum. Typ junger Michael Jackson eben.
Auch nach mittlerweile 16 Auftritten macht es ihm immer noch jede Menge Spaß, auf der Bühne zu stehen. „Die ganze Crew dort ist total nett“, berichtet Noah begeistert. In der Musical-Pause wird Uno oder Tischtennis gespielt. Während der gesamten Dauer der Veranstaltung wird er von einem Betreuer begleitet. Eine kleine Herausforderung für ihn sei, wie er sagt, der häufige Kostümwechsel. Vom coolen Jungen-Outfit über den Pyjama bis hin zum eleganten Smoking trägt er in fast jeder Szene ein anderes Kostüm.
Auch Spontaneität wird von dem jungen Darsteller erwartet. Vor Kurzem verbrachte er das Wochenende bei seinem Vater, als das Telefon klingelte und er kurzfristig für einen anderen Jungen einspringen musste, der erkrankt war. Aber auch das brachte Noah nicht aus der Ruhe. Wenn er auf der Bühne steht, dann kann er alles um sich herum ausblenden. Dann gibt es für ihn nur noch die Musik, die er ganz besonders liebt. Im Auto laufen Whitney Houstons Hits als Endlosschleife.
Berufswunsch: Ingenieur
Aber Schauspieler oder Sänger will er nicht werden. Da hat der junge Mann ganz andere Vorstellungen. „Ich möchte mal Roboter-Ingenieur werden“, sagt Noah, der, wenn er gerade nicht Klavier spielt oder Hausaufgaben macht, in seinem Zimmer vor dem Computer sitzt und programmiert.
Noch bis Herbst kann man das Musical in Stuttgart erleben - Noah wird bis dahin noch in 14 Shows zu sehen sein. Die beiden nächsten Termine stehen auch schon fest: am 22. Mai um 18.30 Uhr und am 17. Juni um 14 Uhr.