Zwischen Neckar und Alb
Ukraine-Flüchtlinge im Kreis: „Es verläuft alles relativ stressfrei“

Flucht Im Aufnahmezentrum in der Zeppelinstraße in Oberesslingen ist diese Woche der erste Bus mit Geflüchteten aus der Ukraine eingetroffen. Der Rotary Club verteilt Kleidung an die Menschen. Von Frederic Feicht

Um 11 Uhr erreicht am Donnerstag ein Bus mit den ersten 100 Flüchtlingen das Aufnahmezentrum in der Esslinger Zeppelinstraße. Vor Ort bietet sich ein entspannter erster Eindruck. „Es verläuft alles relativ stressfrei“, sagt Heimleiter Rüdiger Kontschak vom Amt für Flüchtlingshilfe. „Die Leute waren eher müde – psychisch und physisch von der langen Registration und der Reise.“ Sie wurden nach Angaben des Landkreises von der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Karlsruhe nach Esslingen vermittelt. Die Räume des ehemaligen Impfzentrums in Oberesslingen seien mit Hilfe der Feuerwehr Esslingen und des Deutschen Roten Kreuzes mit Betten, Schränken und Tischen möbliert worden.

„Es sind auch privat Flüchtlinge gekommen, die eine Unterkunft suchen“, sagt Kontschak. Sie hätten jedoch leider nicht bleiben können. „Derzeit können wir nur Menschen aufnehmen, die über die LEA vermittelt werden“, sagt der Heimleiter. „Auch keine, die von der Stadt vermittelt werden.“ Auf vier Stockwerken habe das Aufnahmezentrum Platz für 400 Personen. Auf jedem Stockwerk gebe es fünf Räume, in denen jeweils Platz für 20 Menschen sei.

Alles ist im Fluss

Am Nachmittag erkunden einige Ukrainer das Umfeld ihrer neuen Unterkunft, laufen am Neckar entlang in Richtung Dieter-Roser-Brücke. Der Sicherheitsmann spricht ukrainisch oder russisch und unterhält sich mit den Neuankömmlingen. Vereinzelt wird auch gelacht. „Die Leute haben ihre Zimmer bezogen, jetzt machen sie sich daran, die Gegend zu erkunden. Ich glaube, einige wollen zum Kaufland“, erzählt Kontschak. Er sei mit seinem Team derzeit in ständiger Bereitschaft, da nicht feststehe, wann die nächsten Flüchtlinge eintreffen . „Im Moment ist alles im Fluss. Wir erwarten natürlich mehr, aber wann die kommen, wissen wir nicht, nur dass sie kommen werden.“ Meist kämen die Anrufe kurzfristig. So wurde auch erst am Mittwoch bekannt gegeben, dass am Donnerstag der erste Bus eintrifft.

Für das leibliche Wohl ist gesorgt: Die Medius-Kliniken kümmern sich um das Catering und das Rote Kreuz organisiert mit ehrenamtlichen Helfern die Essensausgabe. Ein ehemaliges Labor ist jetzt der Speise- und Aufenthaltsraum. Am Donnerstag sei er auch für die Aufnahme der Flüchtlinge genutzt worden, berichtet Kontschak. Die medizinische Versorgung haben die Malteser übernommen. Natürlich gebe es noch einiges zu erledigen, sagt Kontschak. Die Sanitäranlagen würden derzeit umgebaut. „Die Techniker sind schon im Haus. Es gibt bereits Anlagen, aber die sind natürlich nicht für die hohe Personenzahl ausgelegt.“

Mit 20 Waschmaschinen und 20 Trocknern seien sie gut ausgestattet, um den Flüchtlingen zu ermöglichen, die anfallende Wäsche vor Ort zu erledigen. Rund um die Uhr sei zudem ein Sicherheitsdienst im Haus. Die zwischenmenschliche Kommunikation funktioniert nach Kontschaks Wahrnehmung gut. Der Start sei entspannt verlaufen, dazu sei viel Vorarbeit nötig gewesen. Die Abteilung für Flüchtlingshilfe des Landratsamtes habe vorab schon alles für 400 Menschen vorbereitet. Schwierig sei es gewesen, so viele Matratzen zu bekommen.

„Und es war auch ein Riesending, genügend Toilettenpapier zu bekommen“, sagt Kontschak. Durch Improvisationstalent hätten jedoch alle Hindernisse bewältigt werden können. „Alle Mitarbeiter sind schon mehrere Jahre dabei und sind bestens vorbereitet.“ An Erfahrung im Umgang mit Flüchtlingen und der Koordination, die die alltäglichen Probleme des laufenden Heimbetriebs mit sich bringen, mangele es nicht. „Wir haben bereits 2015 die Sporthallen gemanagt. Es ist viel Kompetenz da.“ Jetzt, nach der Ankunft, erwarte er, dass es ruhiger werde. Die Mitarbeiter seien hauptsächlich noch Ansprechpartner für die Alltagsprobleme.

Auch an anderer Stelle wurden die Flüchtlinge am Donnerstag unterstützt: Bei der Fabrik 1887 in der Ulmer Straße gab es eine große Kleiderausgabe, organisiert vom Rotary Club. Insgesamt sponserte das Modeunternehmen AWG 25 000 Kleidungsstücke, die vor Ort verteilt wurden und die teilweise auch in die Ukraine versandt werden.

 

Status und Ansprüche

Flüchtlingssituation: Laut dem Esslinger Landratsamt sind nach einem ersten Überblick der Behörde bisher knapp 1000 Menschen aus der Ukraine auf eigene Faust im Kreis untergekommen. Genaue Zahlen gibt es noch nicht.

Registrierung: Ukrainische Staatsangehörige mit einem biometrischen Pass können sich bis zu 90 Tage visumsfrei im Bundesgebiet aufhalten. Der Aufenthalt kann von der Ausländerbehörde nochmals um 90 Tage verlängert werden.

Aufenthaltsstatus: Nach der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie haben Flüchtlinge als Vertriebene Anspruch auf vorübergehenden Schutz und zudem Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. ff