Der Krieg in der Ukraine schürt die Sorgen der Menschen vor einer nuklearen Katastrophe. Auch in der Region steigt deshalb seit Kriegsbeginn die Nachfrage nach Jodtabletten rasant an.
Erst waren es nur eine Handvoll Kunden, die in der Schneider Apotheke Mache in Kirchheim nach Jodidpräparaten verlangten.
Nach den Meldungen vom Angriff auf das größte Atomkraftwerk in der Ukraine stieg die Nachfrage sprunghaft an. „Zwischen 30 und 40 Anfragen hatten wir allein vergangene Woche“, berichtet Apotheker Marco Junghans.
Daniel Miller von der Kirchheimer Adler-Apotheke berichtet Ähnliches. „Das ist ganz klar ein Thema für unsere Kunden“, sagt er. Der Markt sei inzwischen ziemlich eng geworden. Einige Großhändler haben daher bereits Lücken in den Lagerbeständen und können Jodtabletten mancher Hersteller derzeit nicht liefern. Bei den beiden Pinguin-Apotheken in Kirchheim verzeichnen die Mitarbeiter ebenfalls ein deutliches Mehr beim Verkauf von Jodid-Präparaten.
Bianca Scheiring und ihre Kollegen von der Ötlinger Apotheke bemerken hingegen nur einen geringen Anstieg der Nachfrage. „Es ist nicht so wie zu den ersten Corona-Wochen, wo das Paracetamol ausgegangen ist“, erklärt sie. „Die Anfrage ist da, aber nur vereinzelt“, berichtet auch Ines Bühler von der Adler-Apotheke in Weilheim.
„In der schwächeren Dosierung haben wir noch Tabletten da“, meint Birgit Lehmler von der Dettinger Hirsch-Apotheke. Auch bei ihr nehmen die Anfragen nach Jodtabletten seit Kriegsausbruch vor zwei Wochen spürbar zu. „Die Depotformen sind gar nicht lieferbar“, sagt sie. So geht es auch Bernd Gschwind von der Sulzburg-Apotheke in Lenningen: „Der Markt ist leer.“
Die Entwicklung beobachtet die Landes-Apothekerkammer Baden-Württemberg mit einiger Sorge. „Bei uns ist das gerade ein tägliches Thema“, bestätigt Sprecherin Katina Lindmayer unserer Zeitung die wachsende Nachfrage nach Jodidpräparaten. Viele Apotheker fragen bei der Kammer an, was sie den Kunden sagen sollen, berichtet sie.
Ab 45 Jahren kein Jod nehmen
„Wir raten dringend von einer selbstständigen Einnahme von Jodtabletten ab“, sagt die Sprecherin klipp und klar. Die verfügbaren Dosierungen von maximal 250 Mikrogramm hätten als Schutz der Schilddrüse vor Einlagerung von radioaktiven Jod nach nuklearen Niederschlag keinen Nutzen, könnten aber erhebliche gesundheitliche Risiken bergen, sagt Katina Lindmayer. Es könne zu Nebenwirkungen wie Magen-Schleimhautreizungen oder allergischen Reaktionen kommen, warnt die Sprecherin der Landesapotheker-Kammer.
Eine zusätzliche Jod-Gabe könne sogar der Schilddrüse schaden und zu einer Über- oder Unterfunktion führen. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Kontraindikatoren müssten in jedem Fall berücksichtigt werden: „Erwachsene über 45 Jahre sollten kein Jod zuführen“, nennt Sprecherin Katina Lindmayer ein Beispiel. Ab diesem Alter sei die Schilddrüse nicht mehr so aktiv und die Gefahr einer Krebserkrankung durch die Einlagerung radioaktiven Jods deutlich geringer.
Jodversorgung und Jodblockade
Jod ist ein wichtiger Bestandteil der Schilddrüsenhormone, die viele Stoffwechselvorgänge im Körper regulieren.
Der Bedarf ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die benötigte Menge richtet sich nach Alter, Wachstum und Entwicklung, Kalorienumsatz und nach besonderen Stoffwechselanforderungen, zum Beispiel in der Schwangerschaft und Stillzeit. Erwachsenen bis 51 Jahre empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung 200 Mikrogramm, älteren Menschen 180 Mikrogramm pro Tag. In der Regel kann der Bedarf aus der Nahrung gedeckt werden. Dazu sollten regelmäßig Seefisch und Meerestiere auf dem Speiseplan stehen.
Das Spurenelement ist in den Kaliumiodidtabletten, die von Land und Bund für den Fall eines nuklearen Unfalls vorgehalten werden, höher dosiert. Für Jugendliche ab 13 Jahren und für Erwachsenen bis 45 beträgt die Dosis einmalig 130 Milligramm Kaliumiodid (100 Milligramm Jod).
Diese Tabletten werden zur sogenannten Jodblockade eingesetzt. Mit der hochdosierten Gabe des Spurenelements soll verhindert werden, dass sich krebserregendes radioaktives Jod in der Schilddrüse anreichern kann. Kinder sind besonders gefährdet.
Durch die Einnahme von Jod in hoher Dosierung kann die Speicherung von radioaktivem Jod verhindert werden. So wurden die Tabletten in Polen eingesetzt, um die Bevölkerung nach der Tschernobyl-Katastrophe zu schützen. Vor anderen radioaktiven Stoffen schützt die Jodgabe nicht.
Die Verteilung des Medikamentes liegt in der Hand der Katastrophenschutzbehörden. Rund 189,5 Millionen hochdosierte Jodtabletten werden bundesweit bevorratet. Die Tabletten dürfen erst nach Aufforderung der Behörden eingenommen werden. Da die Schilddrüse im ständigen Wechsel Jod aufnimmt und wieder abbaut, ist der richtige Zeitpunkt der Einnahme die Grundvoraussetzung dafür, dass die Jodblockade funktioniert.
Weitere Informationen dazu gibt es im Internet auf der Seite www.jodblockade.de. nm