Asylpolitik
Um 1.30 Uhr stand die Polizei vor der Tür der Backstube

Integriert, fleißig, mit Arbeitsvertrag bei Bäcker Scholderbeck: Warum ein 23-jähriger Jeside trotzdem ausreisepflichtig ist und was das Weilheimer Ehepaar Sigel dagegen tun will. 

Mit Pfarrer i. R. Kurt Juninger, Pfarrer Matthias Hennig suchen Eve und Bernd Sigel nach Lösungen, um Hadi zu halten.  Foto: Carsten Riedl

Es war eine Szene wie aus einem Kriminalfilm: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gegen 1.30 Uhr fuhren zwei Fahrzeuge mit vier uniformierten Männern vor die Backstube der Bäckerei Scholderbeck im Weilheimer Industriegebiet Tobelwasen. Sie postierten sich an den Eingängen und der Versandrampe. „Einer sagte zu unserem Mitarbeiter, dass er sich nicht erschrecken solle, hier sei die Polizei und suche Herrn Hadi Fadel (Name geändert, d. Red.)“, erzählt eine immer noch aufgebrachte Eve Sigel, die gemeinsam mit ihrem Mann Geschäftsführerin der Bäckerei ist.

Das Vergehen ihres gesuchten Mitarbeiters? Ein abgelehnter Asylantrag. Die Abschiebung sollte in dieser Nacht vollstreckt werden. Zuvor war man schon in seiner Wohnung, hatte ihn dort aber nicht angetroffen. Da in Hadis Vertrag die Adresse der Backstube steht, hoffte man ihn wohl dort zu finden.
 

„Das kann nicht richtig sein.

Eve Sigel über die drohende Abschiebung ihres gut integrierten Mitarbeiters

 

Doch Hadi war nicht da, denn er arbeitet normalerweise tagsüber in einer Filiale in der Spülküche. Die Beamten waren misstrauisch, kamen aber nicht herein. „Weil sie keinen Durchsuchungsbefehl hätten, sagten sie“, so Eve Sigel. Dafür kündigten sie an, an den folgenden Tagen die Läden zu durchsuchen.

Der jesidische Iraker arbeitet seit Dezember 2024 für die Bäckerei, bekommt ein Gehalt und zahlt Sozialabgaben. Als Asylbewerber hatte er eine sogenannte „Arbeitsduldung“ bis zum 17. Mai 2025. Aber Eve Sigel und ihr Mann Bernd hatten das Unheil bereits kommen sehen. „Vor vier Wochen kam Post, dass sein Asylantrag abgelehnt wurde.“ Seitdem habe er Angst und schlafe schlecht. Dabei habe Hadi die drei Jahre, die die Ablehnung des Asylverfahrens gedauert hat, genutzt, um sich zu integrieren, zu arbeiten und einen Beitrag zu leisten.

„Uns fehlen Menschen, die arbeiten“, sagt Eve Sigel. Sie kann daher umso weniger verstehen, dass die Bemühungen des 23-Jährigen nicht belohnt werden. „Ich habe eine Petition an den Bundestag geschickt“, sagt sie. Darin fordert sie, dass der „Spurwechsel“ schneller möglich wird, dass Menschen, die Integrationsleistung zeigen, mit einer Stichtagsregelung einen dauerhaften Aufenthalt bekommen.

Auch in der Kirchengemeinde ist Hadi beliebt. Weilheims Pfarrer in Ruhe Kurt Junginger, der sich gemeinsam mit Gemeindepfarrer Matthias Hennig im Austausch mit Scholderbecks steht, hatte in seiner Zeit in Bayern in einem ähnlichen Fall Kirchenasyl über sechs Monate gewährt. „Doch dann darf die Person nicht arbeiten“, sagt er. Das wäre für Scholderbecks und ihren Mitarbeiter keine Lösung.  

 

Politik eingeschaltet

Das Ehepaar hat auch die örtlichen Politiker auf den Plan gerufen. „Die Rechtslage auf Bundesebene bindet uns im Land Baden-Württemberg die Hände, wenn der Betroffene seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet ist“, erklärt der grüne Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz aus Kirchheim.

Auch Dr. Nils Schmid, als Bundestagsabgeordneter für die SPD Mitglied der künftigen Regierungspartei, stimmt dem zu. „Es hat schon ein Gschmäckle, dass es allzu oft diejenigen trifft, die einen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten, die einer festen Arbeit nachgehen und daher leicht auffindbar sind. Angesichts des zunehmenden Fach- und Arbeitskräftemangels werden sie hier eigentlich dringend gebraucht. Ich werde mich deshalb weiter dafür einsetzen, dass gut integrierte Flüchtlinge in Deutschland bleiben dürfen“, teilt er auf Nachfrage mit. Andreas Schwarz fordert eine „klare Stichtagsregelung“, die eine Beschäftigung und einen Aufenthalt ermöglicht.

Für Bernd Sigel ist es höchste Zeit, Beteuerungen auch Taten folgen zu lassen. „Die Politiker machen doch die Regeln. Wenn man sich einig ist, müssen sie sich jetzt darum kümmern, dass es geht.“ Eine Einzelfallprüfung sei sogar jetzt schon möglich. Wo sich sein Mitarbeiter aktuell aufhält, weiß er nicht und darf es auch nicht wissen. Denn wer den Aufenthaltsort verschweigt, macht sich strafbar. Auch darauf haben die Beamten die Sigels hingewiesen.

Nicht nur Bernd Sigel tut sich schwer mit dieser Politik. „Meine Mitarbeiter verstehen nicht, warum jemand wie Hadi nicht bleiben darf. Auch so etwas sorgt für Politikverdrossenheit.“