Wer regelmäßig auf der Bundesstraße B465 von Owen über Dettingen nach Kirchheim unterwegs ist, hat sich in den vergangenen Tagen möglicherweise gewundert: Plötzlich zieren auf Höhe der Autobahnmeisterei, etwa 200 Meter vor der Autobahnauffahrt Richtung München, zwei neue Schilder die doppelspurige Strecke am rechten und linken Fahrbahnrand: Tempo 60 mit dem Zusatzschild „Unfallgefahr“, symbolisiert durch ein Auto, das einem anderen in das Heck fährt. Normal ist auf diesem Abschnitt Tempo 70 erlaubt.
„Was bringen zehn Km/h?“
„Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist zurückzuführen auf eine Unfallhäufungsstelle“, teilt Doreen Edel von der Stadt Kirchheim mit. Die Große Kreisstadt ist für diesen Abschnitt für die Bundesstraße die zuständige Verkehrsbehörde und greift dazu auf Zahlen der Polizei zurück. Das schließt auch die Gemarkung Dettingen mit ein, da man mit der Nachbargemeinde eine Verwaltungsgemeinschaft bildet. In einer Verkehrsschau habe man mit den Beteiligten entscheiden, die Geschwindigkeit auf 60 Kilometer pro Stunde zu reduzieren und eine Gefahrenbeschilderung anzubringen, heißt es bei der Stadt weiter. „Die Umsetzung der Maßnahme erfolgte Anfang März dieses Jahres“, teilt die Sprecherin mit. Genaue Unfallzahlen kann sie dem Teckboten nicht nennen.
Um solche Schilder aufzustellen, werde in der Regel eine „Unfallkommission“ gebildet, erklärt Martin Raff vom Polizeipräsidium Reutlingen. Den „Hut“ habe dabei die zuständige Straßenverkehrsbehörde auf, also die Stadt Kirchheim. Maßgeblich seien dabei nur Unfälle, welche die Bezeichnung „Unfallschwerpunktstelle“ rechtfertigen. Zufällige Unfälle wie etwa ein abgefahrener Spiegel, weil Fahrzeuge zu dicht aneinander vorbeigefahren sind, müssten rausgerechnet werden. „Da kann ja die Straße nichts dafür“, so Raff.
Unfälle hat es im Bereich der Schilder tatsächlich gegeben. Im vergangenen Jahr wurde an der Auffahrt zur A8 Richtung München eine Ampel stark beschädigt, nachdem ein Auto dagegen gefahren war. Ende des Jahres hatten sich in der Nähe der Stelle zwei weitere Unfälle ereignet, bei denen ein Fahrer sich auf die Abbiegerspur zur A8 eingeordnet hatte und dann auf einen „verkehrsbedingt haltenden“ Ford auffuhr, wie es im Polizeibericht hieß. Eine halbe Stunde später ereignete sich am selben Tag fast an derselben Stelle ein ähnlicher Unfall.
Dennoch wundert sich Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann über die neuen Schilder, von denen er erst durch den Teckboten erfahren hat. Die Unfälle an dieser Stelle hätten nichts mit der Straße zu tun, einer davon sei auf einen medizinischen Notfall zurückzuführen, andere auf menschliches Versagen. Auch die Effizienz des Tempolimits stellt er infrage: „Was sollen zehn Kilometer pro Stunde weniger bringen?“ Ein paar Prozent weniger Geschwindigkeit an dieser Stelle werde keine Wirkung haben, ist Haußmann überzeugt. Außerdem sei bei fehlender Aufmerksamkeit auch mit Tempo 50 ein Auffahrunfall möglich.
Dass es so schnell gehe, Schilder aufzustellen, überrascht ihn daher. „Das kann ich nicht nachvollziehen, angesichts der Hürden, die man sonst hat.“Er weiß, wovon er redet: Seit 20 Jahren versucht er auf der B 465 im Bereich des Dettinger Ortskerns zwei Abbiegespuren – in den Guckenrain und in die Teckstraße – durch eine Doppelspur zu entschärfen. Außerdem fordere man schon lange Tempo 50 auf Höhe der Gemeinde. Die Planungen dafür seien seit 2009 fertig. Denn: Dort kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen. An der Kreuzung Teckstraße ist eine Radfahrerin im Sommer 2024 von einem Auto tödlich verletzt worden.
Problem an der Wurzel packen
Auch dass es sich seit Jahren auf der B 465 im Feierabendverkehr staut, sei hinlänglich bekannt, sagt Rainer Haußmann. „Abends fahren 700 Autos mehr durch Dettingen als am Morgen. Das liegt an der B 465, die zugestaut ist“, so der Schultes. Bedarf an Maßnahmen gebe es also reichlich an der B 465. Nur die konkret getroffene kann der langjährige Gemeindechef offenbar nicht so ganz nachvollziehen. „Man muss das Übel an der Wurzel packen.“
Unfallstatistik für den Bereich B 465/B 297
2022 – alle im Bereich der Autobahnanschlussstelle Kirchheim/Ost: Drei Verkehrsunfälle (2x Auffahrunfall, 1x alleinbeteiligt gestürzter Motorradfahrer) mit insgesamt vier Leichtverletzten, Gesamtschaden ca. 33.000 Euro.
2023 – alle im Bereich der Autobahnanschlussstelle Kirchheim/Ost: Fünf Verkehrsunfälle (4x Auffahrunfall, 1x alleinbeteiligt von der Fahrbahn abgekommen) mit insgesamt sieben Leichtverletzten und einem Schwerverletzten, Gesamtschaden ca. 50.000 Euro.
2024 – alle im Bereich der Autobahnanschlussstelle Kirchheim/Ost: Neun Verkehrsunfälle (7x Auffahrunfall, 1x Unfall beim Abbiegen, 1x alleinbeteiligt gestürzter Motorradfahrer) mit insgesamt elf Leichtverletzten und zwei Schwerverletzen, Gesamtschaden ca. 149.000 Euro.
Bitte beachten: Die o.g. Unfälle haben sich sowohl auf der B 465 als auch auf der B 297 ereignet (Bereich nach der Autobahnbrücke Richtung Kirchheim).
Quelle: Polizeipräsidium Reutlingen