Weilheim · Lenningen · Umland
Unmut: Wendlingen versteigert Bauplätze

Bauen Die Stadt versteigert 17 Bauplätze für Einfamilienhäuser im Neubaugebiet Steinriegel nach Höchstpreisverfahren – und erntet dafür angesichts explodierender Immobilienpreise einige Kritik. Von Kerstin Dannath

Die Suche nach einem geeigneten Bauplatz ist für viele Familien eine große Herausforderung. Besonders in wirtschaftsstarken Gebieten fehlt es an ausreichend neuen Flächen. Vor diesem Hintergrund kommt dem Sonntag, 18. September, eine besondere Bedeutung zu: In der Stadt Wendlingen stehen an diesem Tag 17 Bauplätze für Einfamilienhäuser zum Verkauf. Das Pikante daran: Die Stadt hat sich entschieden, diese nach einem Höchstpreisverfahren im Zuge einer Versteigerung zu vergeben.

Die Bauplätze gehören zum 5,4 Hektar großen Areal Steinriegel am nordöstlichen Stadtrand. Der Spatenstich ist bereits erfolgt, die Erschließungsarbeiten laufen und sind voraussichtlich im Oktober 2023 abgeschlossen. Das letzte Mal hat die Stadt Wendlingen vor rund 20 Jahren ein Neubaugebiet auf der grünen Wiese erschlossen.

Wie die Vermarktung der 17 Bauplätze für Einfamilienhäuser erfolgen soll, war ursprünglich anders vorgesehen. Die Verwaltung hatte zunächst vorgeschlagen, nur neun davon nach Höchstpreisverfahren zu vergeben. Beim Verkauf der übrigen acht Bauplätze sollte – wie bei den Reihenhausgrundstücken – ein Sozialpunktekatalog ausschlaggebend sein. Nach intensiven Diskussionen im Gemeinderat fiel auf Antrag der CDU-Fraktion im Juli 2021 allerdings der einstimmige Beschluss, doch alle 17 kommunalen Bauplätze für Einfamilienhäuser nach Höchstpreisverfahren zu vergeben.

 

Wir wollen vermeiden, dass Bauträger zum Zug kommen.
Jens Fritz, Wirtschaftsförderer der Stadt Wendlingen

 

Jens Fritz, Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung, Grundstücksverkehr und Recht bei der Stadt, versucht die Vorgehensweise zu rechtfertigen: „Neben der Frage, wie zeitgemäß diese Wohnform überhaupt noch ist, spielte das Argument eine große Rolle, ob man von kommunaler Seite überhaupt jemanden aktiv subventionieren muss, der sich ein frei stehendes Haus leisten kann.“ Der Gedanke dahinter: Menschen mit schmälerem Baubudget ließen von solchen Grundstücken sowieso eher die Finger.

Im gleichen Zug verpflichtete sich die Stadt, die kompletten Mehreinnahmen, die beim Verkauf der acht Bauplätze erzielt werden, in den sozialen Mietwohnungsbau zu stecken – alles, was über dem damals geltenden Bodenrichtwert von 780 Euro pro Quadratmeter liegt. Mittlerweile sind es 800 Euro pro Quadratmeter. „Ein weiterer Punkt war, dass städtische Grundstücke nicht unter Wert verkauft werden dürfen“, so Fritz. Die Stadt hätte demnach einkommensschwächeren Interessenten gar nicht entgegenkommen dürfen. Die 780 Euro pro Quadratmeter wären auf jeden Fall fällig geworden, dazu kommen die Baukosten.

Für diese in Wendlingen und auch im Landkreis eher außergewöhnliche Vorgehensweise erntet die Stadt nicht nur Lob. „Es haben sich tatsächlich einige Menschen gemeldet und ihren Unmut geäußert“, berichtet Fritz. „Allerdings war es auch nicht so, dass unser Telefon nicht mehr stillgestanden ist.“ Der Wirtschaftsförderer betont, dass es der Stadt fernliege, die Immobilienpreise in die Höhe treiben zu wollen. Letztlich spiele auch das geltende Recht eine Rolle: „Oberster Grundsatz ist dabei, dass eine solche Vergabe nicht diskriminierend sein darf.“ So ist es zum Beispiel nicht möglich, dass Einheimische per se bevorzugt werden. Denn dann werden alle Auswärtigen diskriminiert. Und die hätten dann die Möglichkeit, vor den Kadi zu ziehen – was die Stadt natürlich vermeiden will. Basis ist laut Fritz hier eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH).

Regeln wider Spekulationsgebaren

Um zu verhindern, dass die Wendlinger Grundstücke für Einfamilienhäuser zu Spekulationsobjekten werden, hat die Stadt bei der Vergabe dennoch einige Kriterien eingebaut. So sind zur Versteigerung nur natürliche Personen zugelassen, und pro Person kann maximal ein Grundstück erworben werden. Der Käufer verpflichtet sich zudem, innerhalb von fünf Jahren ein Wohngebäude zu errichten, das er ab Bezug mindestens zehn Jahre lang selbst als Erstwohnsitz nutzt. Bis zum Ablauf dieser Frist darf das Eigentum an dem Wohngrundstück nicht an Dritte veräußert werden. Bei einem Verstoß kann die Stadt entweder eine Vertragsstrafe geltend machen oder ein Wiederkaufsrecht ausüben. „So wollen wir vermeiden, dass Bauträger zum Zug kommen“, erklärt Jens Fritz die Regulierung.

Von den insgesamt 91 Bauplätzen im Neubaugebiet Steinriegel wurden 36 Bauplätze der Stadt zugeteilt, 55 sind in privater Hand. Die städtischen Bauplätze sind für Reihen- und Einfamilienhäuser sowie drei Mehrfamilienhäuser vorgesehen, die noch in diesem Herbst teils nach sozialen Gesichtspunkten vermarktet werden. Die Vergabe der Reihenhäuser wurde bereits Anfang des Jahres abgeschlossen. Sie erfolgte laut Fritz nach einem Sozialpunktekatalog, mit dem auch einkommensschwächere Interessenten subventioniert wurden.

Den Verkauf ihrer Bauflächen dürfen Gemeinden in Baden-Württemberg selbst regeln. Jens Fritz zufolge sind Vergaben nach sozialen Kriterien, Losverfahren, aber auch Versteigerungen gängige Modelle.

 

Informationen zur Versteigerung

Versteigerung Am Sonntag, 18. September, findet die Vergabe der kommunalen Bauplätze für Einfamilienhäuser im Wendlinger Neubaugebiet Steinriegel im Treffpunkt Stadtmitte statt. Die Grundstücke werden dabei einzeln aufgerufen und gehen an den Höchstbietenden. Einlass ist um 9 Uhr, bis 11 Uhr können Interessenten sich über die Bauplätze informieren, den Bebauungsplan einsehen und Verwaltungsmitarbeitern Fragen stellen.

Teilnahme Ein Anmelde-Link befindet sich auf der Webseite www.wendlingen.de, aber eine Teilnahme ist auch ohne Anmeldung möglich. Es müssen Unterlagen wie Personalausweis und eine gültige Finanzierung vorgewiesen werden. Das Mindestgebot errechnet sich aus dem aktuell geltenden Bodenrichtwert und liegt bei 800 Euro pro Quadratmeter.

Interesse Bis Mitte der Woche hatten sich rund 70 Interessenten zur Versteigerung angemeldet. Die meisten Anwärter kommen laut der Stadt Wendlingen aus der unmittelbaren Region, darunter viele aus Wendlingen, Köngen und Unterensingen. kd