Im Februar traf sich zum ersten Mal der neu gegründete Initiativkreis für kreisweite Jugendbeteiligung. Etwa 30 Mitglieder im Alter zwischen 14 und 27 Jahren wollen auf diesem Weg Kommunalpolitik mitgestalten. Welche Themen halten Jugendliche für wichtig, was sind ihre Erwartungen und Ziele. Darüber sprachen wir mit der 18-jährigen Initiativkreis-Sprecherin Clara Schweizer aus Nürtingen.
Frau Schweizer, Sie sind Initiativkreis-Sprecherin, Vorsitzende im Jugendgemeinderat und bei „Fridays for Future“ aktiv. Wann haben Sie begonnen, sich für Politik zu interessieren?
Clara Schweizer: Ich habe in der Schule früh angefangen, mich in der SMV zu engagieren. Wir haben zum Beispiel Projekttage zum Thema Zukunft organisiert. Dabei habe ich ziemlich schnell begriffen, wie wichtig es ist, dass wir Jugendliche etwas verändern, auch wenn es nur im kleinen Stil ist. Dass wir Dinge nicht nur akzeptieren. Ich habe mir damals vorgenommen, dass ich im Alter irgendwann im Schaukelstuhl sitzen und mir sagen können will, okay, ich habe geholfen, die Welt ein kleines Stück besser zu machen.
Sie sind mit 15 in den Jugendgemeinderat gewählt worden und dort auch gleich Vorsitzende geworden. Was hat sich dadurch verändert?
Schweizer: Ich habe zum ersten Mal Einblick in die kommunalpolitischen Themen in Nürtingen bekommen und gemerkt, dass es einen jugendlichen Blick auf die Dinge braucht. In den Gemeinderäten, aber auch in der Politik in Berlin oder Stuttgart ist der Altersschnitt relativ hoch. Ich finde in diesem Zusammenhang das Beispiel Klimawandel ganz gut. Es entscheidet eine Generation über Klimafragen, die nicht mehr so lange wie wir mit den Folgen leben muss. Deshalb sollten wir mitreden dürfen. Das Gefühl, gehört zu werden, ist wichtig, damit meine Generation den Glauben an die Demokratie nicht verliert. Das ist zudem der beste Schutz vor Radikalisierung.
Was sind für Sie im Moment die drängendsten Themen hier im Landkreis?
Im Moment dreht sich natürlich alles um Corona und die wichtige Frage, wie man die Situation in den Griff bekommt. Neben dem Klimaschutz geht es uns im Initiativkreis aber auch um die Themen bezahlbares Wohnen gerade für junge Menschen wie Studierende oder Azubis. Auch um einen ÖPNV, der pünktlich ist, der günstig ist und der gute Fahrzeiten hat. Damit auch auf dem Land nicht am Sonntag nur einmal ein Bus fährt.
Der Initiativkreis kann in Kreisgremien nur anregen und vorschlagen. Ist da Frust nicht programmiert?
Bisher hatten wir noch keinen Anlass, frustriert zu sein. Uns gibt es ja erst seit diesem Jahr. Was passiert, wenn wir im kommenden Jahr unsere Anliegen stärker in der Verwaltung und im Kreistag vorbringen werden, wird sich zeigen. Mit Blick auf die Zukunft wäre es natürlich wichtig, wenn wir ein Stück mehr mitentscheiden könnten.
Sie selbst haben länger Erfahrung als dieses eine Jahr. Fühlen Sie sich von der etablierten Politik ernstgenommen?
Ich fühle mich schon ernstgenommen. Auch vom Initiativkreis hatten wir bisher nur positives Feedback. Trotzdem sollten auf Zuspruch natürlich auch Taten folgen. Da hapert es tatsächlich. Wenn man es gut findet, dass sich Jugendliche engagieren, sollte daraus auch folgern, dass man zuhört und Forderungen umsetzt.
Wie würden Sie politischen Erfolg definieren?
Frei seine Meinung äußern können, zuhören und gehört werden. Wenn aus diesem Zusammenspiel konkretes Handeln entsteht, dann ist Politik erfolgreich.
Sie wollen im Initiativkreis Mitstreiter aus möglichst allen sozialen Milieus und Bildungsschichten gewinnen. Wie gut gelingt das?
Ich würde schon sagen, dass uns das gut gelingt. Wir haben Jugendliche dabei, die eine Ausbildung machen, wir haben Abiturienten und Studierende. Für uns ist wichtig, dass wir Kontakt zu allen Jugendlichen haben, nicht nur zu denen, die sich bereits politisch engagieren.
Der Initiativkreis war im Sommer auf Tour durch die Jugendhäuser. Was haben Sie von dort mitgenommen?
Wir sind da ganz bewusst auch aufs Land, zum Beispiel nach Bempflingen und Weilheim gegangen. Mit Corona war das alles etwas schwierig, wir würden das im nächsten Jahr aber gerne ausbauen. Mein Eindruck ist, dass sich unsere Generation gerade wahnsinnig politisiert. Es ist immer die Frage, wie man Politik definiert. Das ist nicht nur „Fridays for Future“. Für mich ist Politik auch, wenn ich sage, mich nervt es, dass mein Bus ständig zu spät kommt, oder dass es im Ort kein vernünftiges Freizeitangebot gibt. In diesem Punkt tut sich gerade ganz viel.
Gibt es, was Engagement und Themenvielfalt angeht, ein Stadt-Land-Gefälle?
Zurzeit sind wir im Initiativkreis tatsächlich überwiegend Jugendliche aus den Großen Kreisstädten. Man muss sich aber auch fragen, woran das liegt. Ich glaube nicht, dass das Interesse Jugendlicher in kleineren Gemeinden geringer ist. Oft ist es ganz schlicht und einfach das Problem, wie komme ich nach Esslingen, um mich dort zu treffen? Womit wir wieder beim Thema wären. Deswegen war es ein Ziel unserer Sommertour, dass wir in die Gemeinden kommen und nicht die Leute zu uns kommen müssen. Zurzeit treffen wir uns ohnehin nur online.
Erfolgreiche Politik setzt Kontinuität voraus. Das berühmte Bohren dicker Bretter. Dafür ist die Phase Anfang zwanzig, in der das Leben ständig im Fluss ist, nicht gerade ideal.
Eine bestimmte Kontinuität braucht es natürlich und die haben wir auch. Bis zum Eintritt ins Studium oder Berufsleben bleibt vielen Jüngeren bei uns fünf Jahre Zeit. Nicht alle sind danach ja weg. Meiner Meinung nach ist es auch gar nicht schlecht, wenn man nach einer gewissen Zeit Platz macht für neue Ideen und frischen Wind.
Zwischen 14 und 27 liegen Welten, was intellektuelle Reife und Auswahl der Themen angeht. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Es ist schon wichtig, darauf zu achten, dass alle Interessen abgedeckt werden. Das funktioniert bei uns sehr gut. Wir haben alle eine gemeinsame freundschaftliche Basis, wo es gar nicht so grundlegende Verschiedenheiten gibt.
Bei Kommunalwahlen in Baden-Württemberg darf man mit 16 Jahren wählen. Was sagen Sie jemand, der das für einen Fehler hält?
Ich halte es für sehr wichtig, dass sich Menschen mit 16 bei der Wahl einbringen können. Man könnte zugespitzt ja auch fragen, warum sollen 16-Jährige nicht wählen dürfen, aber 90-Jährige? Im gleichen Maß, wie man das Wahlalter senkt, braucht es natürlich auch politische Aufklärung. Die „Mach-dich“-Kampagne des Kreisjugendrings vor den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr war da ein gutes Beispiel.
Politikern wird oft vorgeworfen, sie klebten an der Macht. Wie schafft man es, nicht so zu werden wie die, die man kritisiert?
In dem man nicht nur in Wahlperioden denkt, sondern in Themen. Indem man nicht darüber nachdenkt, wie kann ich wiedergewählt werden, sondern, was ist die richtige Entscheidung. Das muss man immer wieder reflektieren.
Könnten Sie sich eine Karriere als Politikerin vorstellen?
Schwierige Frage. Man kann in meinem Alter ja schwer sagen, was die Zukunft bringt. Vorstellen könnte ich es mir schon. Schließlich sollte man immer von der Motivation getrieben sein, etwas verändern zu wollen und nicht nur zu reden. Es gibt ja viele Wege, politisch zu arbeiten. Ich will auf jeden Fall der Politik treu bleiben.
Was nervt Sie am meisten?
(lacht) Vielleicht SUVs.