Die Baustelle für das Wohn- und Geschäftshaus an der Vorderen Straße hat ein weiteres Stück der frühen Siedlungsgeschichte Bissingens ans Licht gebracht. Zwar seien die Funde nicht so spektakulär wie das frühmittelalterliche Goldblattkreuz, das 2015 im Ort entdeckt worden sei, sagt Bürgermeister Marcel Musolf. Für eine gründlichere Untersuchung und eine so genannte „Rettungsgrabung“ durch das Landesamt für Denkmalspflege hat es dann aber doch gereicht.
Vom 12. November vergangenen Jahres bis zum 25. Januar waren Spezialisten der ArchaeoBW in Bissingen am Werk. Da sich die Grundstücke in der Nähe des historischen Ortskerns sowie in direkter Nachbarschaft des ehemaligen Pfleghofes des Klosters St. Peter befinden, hatte das Landesamt für Denkmalpflege eine archäologische Ausgrabung veranlasst. Gefunden wurden Siedlungsspuren in Form von Pfostengruben, Gruben und einem Ofen, die sich besonders im Westen der Grabungsfläche konzentrierten. Die Pfostengruben sind ein Hinweis auf ehemals senkrecht stehende Holzpfosten, die Teil eines Bauwerks waren und der Stabilisierung des Fundaments dienten.
Im nördlichen Bereich wurde ein aus 19 Pfostengruben bestehender Gebäudegrundriss freigelegt. Die Fläche kann aufgrund der in den Pfostengruben gefundenen Keramik in das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit datiert werden. Insgesamt waren die Funde nach Auskunft des Landesamts für Denkmalpflege nicht allzu reichhaltig und ließen sich nur schwer datieren.
Die Bauuntersuchung vor der Grabung hat aber noch interessante Details ans Licht gebracht. Beide Häuser wurden im Jahr 1725 erbaut, auch das Gewölbe der Nummer 41 gehörte zu dieser Bauphase, während im Keller noch ältere Phasen zu erkennen waren. „Möglicherweise stand hier schon im Mittelalter ein Keller, von dem noch im letzten Keller verbaute Mauerreste vorhanden waren. Auch im Keller von Nummer 53 fand sich mit einem Brunnen ein älteres Bauelement“, heißt es beim Denkmalsamt. „Der Brunnen wird erhalten bleiben“, erklärt Dr. Doro Brenner, Gebietsreferentin für Archäologische Denkmalpflege beim Landratsamt. Allerdings werden die Bissinger ihn nach Beendigung der Bauarbeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen, da er mit einer Zufahrt überbaut wird.
Wenn auch die Funde nicht spektakulär waren, geben sie doch Aufschluss über die Siedlungsgeschichte Bissingens im Spätmittelalter. „Interessant werden die Funde im Zusammenspiel mit anderen Fundstellen, sodass man die Entwicklungsgeschichte des Ortes erweitern kann. Auch kann man die Grenze des spätmittelalterlichen Bissingens nach Norden abstecken“, sagt Doro Brenner. So sei davon auszugehen, dass im Norden der ehemalige Klosterhof von St. Peter die Siedlungsgrenze bis ins spätere Mittelalter darstellte, während sich die frühere Besiedlung möglicherweise eher Richtung Osten und Bach hin befand und sich der Siedlungskern mit Marienkirche und Rathaus erst in dieser Zeit wirklich herausgebildet hat. Der nördliche Bereich wurde wahrscheinlich erst im Spätmittelalter besiedelt, zur Straße hin mit Steinhäusern mit Kellern und dahinter auf dem Grundstück mit Wirtschaftsbauten. Wahrscheinlich wurde die Bebauung durch den Dorfbrand 1665 zerstört, um einige Jahrzehnte später wieder aufgebaut zu werden.
Bissingen taucht erstmals 769 in einer Urkunde auf. Die frühe Besiedlung spiegelt sich in älteren archäologischen Funden wider, wie dem Grabfund 2015. Diese Funde können bis ins 5. Jahrhundert zurückdatiert werden.