Wirtschaft
Unternehmer Timo Gökeler aus Lenningen lobt Effizienz der Vier-Tage-Woche

Das Lenninger Unternehmen Goekeler Messtechnik hat vor fünf Jahren den freien Freitag bei vollem Lohnausgleich eingeführt. Im Interview spricht der Chef über die Gründe und die Rahmenbedingungen. In dem Modell sieht er Vorteile für die Belegschaft und das Unternehmen.

Timo Gökeler hat für sein Unternehmen die Vorteile einer Vier-Tage-Woche erkannt. Foto: Anke Kirsammer

Am Donnerstag, 15. Mai, ist Timo Gökeler zu Gast im Zukunftsforum der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Der Titel der Veranstaltung des Studium generale lautet: „Zeit ist Geld – und noch viel mehr“. Sie findet von 18 bis 21 Uhr in der HfWU, Parkstraße 4 in Geislingen, und via Zoom statt. Gökeler hält unter der Überschrift „People Power Pioneers: Die Vier-Tage-Woche als Wachstumschance – effizient, verwurzelt und zukunftsstark“ einen der Impulsvorträge.

Wie kamen Sie auf die Idee, in Ihrem Unternehmen eine Vier-Tage-Woche einzuführen?

Timo Gökeler: 2019 gingen die Aufträge nach unten. Wir hatten mit einer Transformationskrise in der Industrie zu kämpfen. Wir haben damals Kurzarbeit angemeldet und haben statt fünf nur vier Tage gearbeitet. Die Belegschaft konnte selbst entscheiden, wer welchen Tag freinimmt. Das hatte aber den Nachteil, dass sich die Leute teils zwei, drei Tage nicht gesehen haben. Für Projekte war das schwierig. Wir haben schnell festgestellt, dass es sinnvoll ist, wir einigen uns auf einen Tag, an dem alle freihaben. Gleichzeitig gingen die Aufträge und die Umsätze nach oben. Wir hatten also mit viel weniger Anwesenheit deutlich mehr Output.

Das heißt, die Vier-Tage-Woche macht für Sie auch aus unternehmerischer Sicht Sinn?

Gökeler: Der Mehrwert ist erstaunlich. Wir haben die Vier-Tage-Woche 2020 offiziell eingeführt. Meine Leute arbeiten 34 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Freitags haben alle frei. In anderen Betrieben sind die Beschäftigten vielleicht länger anwesend, aber es geht doch ums Anpacken.

Also verschaffen Sie sich dadurch auch einen Vorteil beim Anwerben und Halten von Fachkräften?

Wir hatten davor eine 40-Stunden-Woche und waren unter Zugzwang. Meine Wettbewerber bezüglich Arbeitskräften sind große Konzerne im Neckartal. Die hatten schon damals die 37-Stunden-Woche oder noch weniger und zahlen höhere Löhne. Wir sprechen Arbeitnehmer aus dem ländlichen Raum an. Die Leute haben einen super Charakter, haben ein gutes Wertegerüst und sind loyal. Wir haben eine sehr geringe Fluktuation.

Können Sie die Reaktion der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschreiben?

Anfangs haben einige verunsichert reagiert und sich gefragt, ob es nicht genügend Arbeit gibt. Andere haben die Vier-Tage-Woche gefeiert. Die Belegschaft hat keine Nachteile. Faktisch bekam sie eine 15-prozentige Lohnerhöhung. Inzwischen sehen viele den Vorteil, das eigene Leben besser managen zu können. Der freie Freitag ermöglicht dem Ehepartner oder der -partnerin, zu arbeiten. Andere nutzen die Zeit für die Pflege ihrer Eltern, fahren weg oder gehen ihren Hobbys nach. Ein Mitarbeiter nutzt die Zeit fürs Ehrenamt als Fußballtrainer. Ich schenke meinen Mitarbeitern nicht die Stunden, sie haben sie sich verdient. Wenn meine Leute hier rauslaufen, wissen sie, dass sie was geleistet haben. Montags kommen dann alle wieder hoch motiviert rein.

Die Arbeitszeitreduzierung bei höherem Output geht sicher nur über eine höhere Effizienz. Wie erreichen Sie die?

Im Büro arbeiten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit drei Bildschirmen. Sie sind voller Input. Wir haben unser Auftragswesen bereits 2008 digitalisiert. Ich rede auch gerne von der digitalen Rendite. Zu denken, meine Rendite wäre noch höher, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch mehr arbeiten würden, ist ein Irrglaube. Es braucht Leitplanken, optimierte Arbeitsplätze und wenig Ablenkung. Auch in der Automatisierung von Abläufen und in der Optimierung von Mikroprozessen sind wir stark. Die Mitarbeiter denken da inzwischen mit. Für Meetings haben wir eine Uhr auf dem Tisch, die piept, wenn die festgelegte Zeit abgelaufen ist. Das diszipliniert ungemein.

Bleibt da noch Zeit für den Smalltalk zwischendurch?

Es muss möglich sein, das Wochenende Revue passieren zu lassen. Danach lassen wir es wieder krachen. Es ist aber immer wieder herausfordernd, den Donnerstagmittag nicht zum Freitagmittag zu machen.

Wie reagieren andere Unternehmer?

Gefeiert werde ich in der Region nicht. Allerdings wird leider wenig nachgefragt. Ich höre von anderen oft: „Bei uns geht das nicht.“ Andererseits bekommen wir unfassbar viele Anfragen von Unternehmern aus ganz Deutschland und Studenten, die wissen möchten, wie wir das machen. Ihnen gebe ich gerne Auskunft. Aber natürlich gibt es auch viele Kritiker. Ich maße mir nicht an, anderen zu sagen, wie sie arbeiten sollen. Wir reden nicht von Anwesenheit und Stempelzeit. Wichtig ist doch, modern und intelligent zu arbeiten und dabei den größtmöglichen Outcome – also Mehrwert – hinzubekommen. Mir ist auch klar, dass das Modell nicht für alle Berufsgruppen passt. In der Medizin, bei der Polizei oder in Schulen macht es keinen Sinn. Wir Deutschen wollen immer die eine Lösung. Die gibt es nicht.

 

Weitere Infos gibt es unter studium-generale@hfwu.de.

Anmeldungen für eine Online-Teilnahme sind noch möglich. Der Einwahllink ist unter hfwu.de/sg-anmeldung zu finden.

Timo Gökeler ist geschäftsführender Gesellschafter von Goekeler Messtechnik. Dabei handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Lenningen. Der 47-Jährige führt das Familienunternehmen in der zweiten Generation und liefert seit 1984 weltweit Taster und Zubehör an Messmaschinenhersteller und deren Endanwender.