Trotz der beiden Schließungen innerhalb weniger Wochen gibt es auch erfreuliche Entwicklungen bei den Bemühungen um einen geringeren ökologischen Fußabdruck im Lebensmitteleinzelhandel. So melden der Unverpacktladen Tante Filda aus Filderstadt und Glas & Beutel aus Nürtingen jeweils eine positive Geschäftsentwicklung.
Steigende Preise werden als Gründe für die Schließung genannt.
Carina Killer, Leiterin des Esslinger Citymanagement
Steigende Lebensmittelpreise und die Konkurrenz durch Discounter auch im Bio-Segment seien schwierige Bedingungen, mit denen die Unverpacktläden insgesamt zu kämpfen haben, erklärt Carina Killer, die das Esslinger Citymanagement leitet. Das seien häufig die Gründe, die im Zusammenhang mit Schließungen von Unverpacktläden genannt würden. Die Esslinger Schließung bedauert Killer ausdrücklich.
Beim Blick auf die beiden erfolgreichen Unverpacktläden in Nürtingen und Filderstadt, deren Geschäftsmodell jeweils auf einer Genossenschaft fußt, drängt sich die Frage auf, ob es andere Konzepte mit einer Beteiligung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer braucht, um auf dem Lebensmittelmarkt zu bestehen?
„Neue Kooperationsformen, wie Genossenschaften, können einen Ansatz darstellen, sind jedoch kein Allheilmittel“, sagt dazu Carina Killer, die das Esslinger Citymanagement leitet. Auch diese erforderten stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen und großes Engagement der Beteiligten, welches im Ehrenamt häufig nur schwer geleistet werden könne.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind jedoch im Einzelfall eklatant. So leisteten bei Tante Filda allein im Ladenteam „ehrenamtlich Aktive monatlich mehr als 100 Arbeitsstunden in Form von Dienstschichten oder sonstigen Aufgaben ohne jegliche Vergütung oder sonstige Vorteile“, berichtet Martina Mugrauer vom Team Öffentlichkeitsarbeit. Durch dieses „außerordentliche ehrerenamtliche Engagement“ habe man die Personalkosten im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent verringern und erstmals seit Gründung der Genossenschaft vor drei Jahren ein leichtes Plus schreiben können.
Pflege der Mitglieder zeigt Erfolge
Auch im Nürtinger Unverpacktladen Glas & Beutel war es den Akteuren „von Beginn an wichtig, Ehrenamtliche mit in unser Konzept zu integrieren“, wie Vorstand Michael Medla berichtet. Und das auch, „um den Laden und die Genossenschaft als Plattform für Engagement und Selbstverwirklichung zu sehen“. In der Pandemie habe das Engagement zwar stark gelitten, aber es halte bis heute in verändertem Umfang an.
So kümmert sich bei der Nürtinger Genossenschaft eine ehrenamtliche Veranstaltungsgruppe um Termine vom Abendmarkt bis zur Musiknacht. Außerdem seien Ehrenamtliche für die Aufgaben Dekorationen, Öffentlichkeitsarbeit sowie im Ladenbetrieb im Einsatz. Vorstand und der Aufsichtsrat arbeiteten ebenfalls ehrenamtlich. Laut Medla sind in den vergangenen zwei Jahren einige operative Aufgaben des Vorstands nach und nach an das Ladenteam übergegangen. Und zusätzliche Energie habe die Erweiterung des Vorstands von drei auf fünf Personen gebracht. Auch die Zahl der Mitglieder ist innerhalb eines Jahres von 420 auf 450 gestiegen. Und denen winken einige Vorteile wie ein regelmäßiger Einkaufsrabatt oder ein Besuch bei Lieferanten. „Wir haben den Eindruck, dass sich dies positiv auswirkt“, sagt Medla und macht klar, wie wichtig die persönliche Ansprache im Zusammenhang mit dem Geschäftsverlauf ist. Die Steigerung der Mitgliederzahlen sowie des Umsatzes hängen seiner Einschätzung nach eng zusammen und deshalb sollen Veranstaltungen und Aktionen, Werbung und Rabatte genauso gesteigert werden wie der regelmäßige Ausbau des Sortiments.
Ziel ist die schwarze Null
Stand jetzt könne der Laden weiter bestehen, aber man sei noch nicht über dem Berg. Der Betrieb liege weiterhin noch hinter den notwendigen Umsätzen, um ihn dauerhaft abzusichern. Deshalb werbe das Team weiter für eine deutliche Unterstützung des Ladens und suche weitere Stellschrauben, um auch die Kostenentwicklung zu bremsen. Immerhin sei es dem Genossenschaftsteam gelungen, im Herbst 2023 eine Kehrtwende einzuleiten, „die in einen anhaltend höheren Umsatz mündet. Im Jahr 2023 ist der final bereinigte Umsatz insgesamt gegenüber 2022 um rund 30 000 Euro höher gewesen“, was einem Plus von 18 Prozent entspreche. Dies setze sich auch im Zeitraum Januar bis Juni 2024 fort. „Nach aktuellem Stand streben wir erstmals eine schwarze Null nach schwierigen Jahren an und halten dies auch für realistisch. Ob wir es aber wirklich erreichen können, hängt davon ab, ob die aktuellen Umsatzentwicklungen anhaltend wirken.“
Typischerweise hält sich nur ein Teil der Neugründungen
Förderung: Das Esslinger Citymanagement unterstützt nach eigenen Angaben potenzielle Gründungsinteressierte bei der Realisierung eines Unverpackt-Ladens in Esslingen. Seit diesem Jahr wird beispielsweise ein Mietkostenzuschuss für Neugründungen angeboten, und mit einem Flächenportal bietet das Citymanagement einen aktuellen Überblick über geeignete Räumlichkeiten, die gemietet werden können.
Verbraucher: Von einer Trendwende für Unverpacktläden spricht Petra Süptitz vom Marktforschungsunternehmen NIQ/GfK in Nürnberg. Laut einer Befragung im Januar 2024 wünschen sich 69 Prozent der Befragten, mehr Produkte ohne Verpackung kaufen zu können.
Verband: Der Verband der Unverpacktläden mit Sitz in Köln beziffert die Zahl der Unverpacktläden in Baden Württemberg mit 49. Dazu kämen vermutlich sieben weitere Läden von Nicht-Mitgliedern. Neugründungen im Raum Stuttgart sind nicht bekannt, dazu tragen laut Verband aktuell hohe Unsicherheiten bei, außerdem würden Kredite für den stationären Einzelhandel vorsichtiger vergeben. Typisch für Neugründungen aller Branchen sei, dass bis zu 80 Prozent innerhalb der ersten fünf Jahre wieder aufgeben. cm