Zwischen Neckar und Alb
Verbände erheben ihre Stimme

Sozialengagement Die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Kreis Esslingen fordert das Mitspracherecht im Sozialausschuss des Kreistags zurück. Zudem warnt sie vor den sozialen Folgen der Pandemie. Von Uwe Gottwald

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Kreis Esslingen wählte nach zweieinhalb Jahren einen neuen Vorstand. Im Landkreis Esslingen ist die Liga ein Zusammenschluss der fünf Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt (AWO), Caritas Fils-Neckar-Alb, Diakonie im Landkreis Esslingen (DIL), Der Paritätische und das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Bisher nahm Brigitte Chyle von der Caritas den Vorsitz wahr, Pit Lohse vom Paritätischen war ihr Stellvertreter. Künftig bekleidet Dr. Carsten Krinn von der AWO den Vorsitz, Stellvertreter ist Eberhard Haußmann von der Diakonie.

Die Liga ist auch landesweit als Verein sowie in einer Bundesarbeitsgemeinschaft organisiert. Sie berät die Politik zu allen Fragen auf dem Gebiet der Sozial- und Jugendhilfe. Die freie Wohlfahrtspflege versteht sich deshalb als eine tragende Säule im Sozialstaat. Eberhard Haußmann betont: „Es handelt sich um gemeinnützige Organisationen, die im Gegensatz zu privaten Anbietern nicht auf die Erzielung von Renditen ausgerichtet sind.“

Immer mehr werden abgehängt

Der neue Vorsitzende Carsten Krinn sagt: „Seit den 90er-Jahren stellen wir eine Zunahme derer fest, die von der gesellschaftlichen Teilnahme immer mehr abgehängt werden.“ Es handle sich durch den demografischen Wandel und marktwirtschaftliche Bedingungen zunehmend um Ältere, auch die Zahl derer, die auf Sozialhilfeleistungen angewiesen seien, werde nicht kleiner und schließlich bräuchten viele Flüchtlinge zunächst Unterstützung.

Dafür fordert Krinn eine angemessene Beteiligung der Wohlfahrtsverbände ein und erinnert daran, dass die Abgabe von Aufgaben von der staatlichen Ebene hin zu Freien Trägern gesetzlich verankert sei. Aber auch auf der politischen Ebene will die Liga eingebunden sein. Bitter aufgestoßen ist deshalb, dass sie seit gut zwei Jahren nicht mehr im Sozialausschuss des Kreistags vertreten sein dürfen. Im Jugendhilfeausschuss sind sie nur noch als beratende und nicht mehr als stimmberechtigte Mitglieder.

Diese Entscheidung sollte revidiert werden, betont Krinn. Man habe quer durch die Fraktionen Rückmeldungen bekommen, dass die fachliche und kontinuierliche Begleitung der Liga vermisst werde. Und Brigitte Chyle ergänzt: „Die Freien Träger sind vor Ort nahe dran an Arbeitslosen, an Kindern und Jugendlichen in prekären Lagen, ihre Fachkräfte wissen am besten über die Problemlagen Bescheid.“ Das habe sich nochmals besonders in Zeiten der Corona-Pandemie gezeigt, betont Krinn. Es sei schnell und flexibel reagiert worden. Dennoch stellen Krinn und seine Vorstandsmitglieder soziale Verwerfungen durch die Pandemie fest. „Die Gewalt in den Familien nimmt zu, in Frauenhäusern sind kaum noch Plätze frei, ebenso in Jugendhilfeeinrichtungen und der Kinder- und Jugendpsychiatrie“, warnt Chyle vor weiteren Folgen der Pandemie.

Als weiteres wichtiges Thema brennt Haußmann die Wohnungsnot auf den Nägeln. „Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum, jetzt schon geben viele zwischen 30 und 45 Prozent ihres Einkommens für Wohnen aus.“ In diesem Zusammenhang kritisiert er die im Kreis geltenden Mietobergrenzen. Es genüge nicht, ein Schema über den ganzen Kreis zu stülpen, das den Realitäten auf dem Wohnungsmarkt nicht gerecht werde. Krinn fordert: „Die öffentliche Hand muss sich viel mehr im sozialen Wohnungsbau engagieren.“ Nur die Rolle des Mahners und Kritikers will Haußmann für die Liga jedoch nicht gelten lassen. Es gehe um einen guten Austausch und eine gute Zusammenarbeit. Und das sei in vielen Bereichen auch der Fall.